Milchblume
den Dreck ziehen.
Der Pfarrer lud Jakob mit Engelsstimme zur Beichte.
Und die Huber-Bäuerin. Ja, die Huber-Bäuerin war die Einzige, die Jakob anbot, bei der Gendarmerie für ihn auszusagen. Allerdings nur, wenn er ihr »hoch und heilig« verspreche, sich künftig nicht so anzustellen und ihr zur Verfügung stehe, zumindest einmal die Woche.
***
Schon komisch. Am Abend des Feuers haben mich die Leute als Helden gefeiert. Und schon am Tag danach bin ich Feuerteufel und Kuhschänder geschimpft worden. Die Menschen lassen sich so schnell mitreißen, da kann einem schwindlig werden.
Mir war das Wichtigste, dass Silvia von meiner Unschuld weiß, und die Lagler-Bäuerin. Gleich nachdem ihr Sohn Kurt meine Weste als angeblichen Beweis hervorgezogen hat, bin ich zu ihr gegangen. Ich habe vorgehabt, ihr zu erzählen, wer es wirklich gewesen ist, aber das war nicht nötig. Ihr müder, trauriger Blick hat mir gesagt, dass sie es längst weiß.
Als Franz aufgehängt im Wald gefunden worden ist, hat es auch den anderen in Legg langsam gedämmert. Entschuldigt hat sich trotzdem niemand bei mir. Plötzlich war ihnen die Frage, wer der Brandstifter ist, irgendwie peinlich, und niemand hat sich mehr getraut, sie direkt anzusprechen. Aber ganz haben es die Leute doch nicht lassen können, und so sind sie in einem fort drumherum geschlichen. Sie haben getan, als würden sie nicht wissen, wer der Feuerteufel gewesen ist, haben nur mit vielsagendem Blick besprochen, dass sich der »arme, arme Franz«, der feinfühligere und jüngere der beiden Brüder, ja im Eigenwald aufgeknüpft habe. In beiläufigem, aber hämischem Ton ist getratscht worden, dass die Versicherung keinen einzigen Groschen zu zahlen bereit ist. Nicht einen. Und die Leute haben auch festgestellt, dass die Gendarmen den Hauptverdächtigen, also mich, ja nicht mehr verhören.
Dann war das Begräbnis. Vom Lagler-Großvater und vom Lagler Franz, seinem Enkel. Streng genommen war es nur das Begräbnis vom Lagler-Großvater, denn der Pfarrer hat gesagt, dass der Franz eine große Sünde begangen habe und nicht würdig sei, vor den Herrgott zu treten, und auch nicht, den letzten Segen zu erhalten. Ewiglich werde Franz in der Hölle schmoren, so leid ihm das auch tue, hat der Pfarrer zur Lagler-Bäuerin gesagt, dabei wässrige Hundsaugen gemacht und mit den Händen gerungen, ganz so, als sei er ehrlich verzweifelt. Die Lagler-Bäuerin hat langsam genickt, und kein Wort ist ihr über die Lippen gekommen, obwohl es wild in ihr gearbeitet hat. Dann hat sie dem Pfarrer ruhig in die Augen geschaut und ihm eine Ohrfeige verpasst, dass es nur so geklatscht hat. Die Watschen hat ziemlich gesessen, der Herr Pfarrer ist nämlich ordentlich zur Seite getaumelt, hat sich gerade noch am Stiegengeländer vor der Kirche festhalten können. Danach hat er, noch immer gebückt und sich anklammernd, mit einem ängstlichen Blick aufgeschaut und dabei schützend die Schulter vor sein vernarbtes Gesicht geschoben. Aber seine Angst war unnötig, denn die Lagler-Bäuerin hatte längst mit ihm abgeschlossen. Ich glaube, seit damals hat sie keinen Fuß mehr in die Kirche gesetzt.
Der Franz hat dann zumindest hinter dem Sarg seines Großvaters zum Friedhof getragen werden dürfen. Die Lagler-Bäuerin hat den Trauerzug angeführt, mit geradem Rücken und erhobenem, kantigem Gesicht. Ich weiß nicht, ob die anderen es bemerkt haben, aber ihr schwarzes Kopftuch war feucht, dort, wo es an den Wangen angelegen ist. Ihr Sohn, der Lagler Kurt, ist neben ihr gegangen, mit schweren Schritten und gesenktem Kopf. Als ich ihn so gesehen hab, habe ich mir gedacht, dass es gar keinen Gott und auch sonst überhaupt niemanden braucht, der eine Sünde bestraft, keinen Richter, keine Gendarmen und schon gar keinen Pfarrer. Weil sich die Menschen ohnehin selbst bestrafen mit ihren schlechten Taten, über kurz oder lang.
An dem Tag, an dem die Totengräber die nasskalte Erde über den Lagler-Großvater und seinen Enkel geschaufelt haben, da war zum ersten Mal wieder richtig Frühling. Endlich war es geschmeidig warm auf der Haut, der ganze Körper hat geprickelt vor Lustigkeit, und die Luft war weich und hat fast so gut gerochen wie das frisch gekämmte Haar von Silvia. Während des Trauerzugs und beim Grab habe ich mich zusammenreißen müssen, vor Glück nicht laut aufzujauchzen, weil die Vögel so vergnügt miteinander geschnäbelt und gepfiffen haben. An den Feldrainen haben Veilchen geblüht, Hyazinthen,
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