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Milchblume

Milchblume

Titel: Milchblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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glaubt sie. Nur deshalb würden sich manchmal meine Arme verkrampfen und mein Körper zum Panzer werden. Aber fortan wird das nicht mehr so sein, meint sie. Weil ich jetzt stark bin und an mich glaube. Auch ihre Hilfe werde ich bald nicht mehr nötig haben, hat sie gesagt. So könne sie irgendwann einmal getrost aus meinem Leben verschwinden, ebenso überraschend, wie sie gekommen ist.

17.
    Eines quälte Jakob noch. Obwohl er seiner Großmutter schon davon erzählt hatte, rumorte dieses eine Thema noch in seinem Kopf und wollte keine Ruhe geben. Es betraf Silvia. Jakob machte sich Gedanken, dass sie ihn bloß nett finden könnte, aus Mitleid vielleicht. Schließlich war er der Dorftrottel, und in so einen konnte sich ein Mädchen wohl schwer verlieben.
    »Na frag schon«, hörte er die Silberhaarige sagen.
    Zappelig schritt er vor ihr auf und ab, blieb immer wieder stehen, schlackerte nervös mit den Armen, durchgrub mit den Händen sein in alle Himmelsrichtungen stehendes, zerzaustes Haar, stöhnte leise vor sich hin, umrundete den Restling in der Mitte des Platzes und tat dann mit gedankenbeladener Miene ein paar leidenschaftlich schwere Atemzüge.
    »Es ist wegen der Sache mit …«, stieß er hervor, und traute sich dann doch nicht, mit der ganzen Wahrheit herauszurücken. »Na du weißt schon, weil halt alle sagen, dass ich ein Idiot bin.«
    Aus dem Gesicht der Großmutter schwand jede Heiterkeit.
    »Jakob«, sagte sie, »es braucht nicht viel, um in Legg, einem Fleck, der fernab von weitreichenden Gedanken ist, als außergewöhnlich zu gelten. Und von der Außergewöhnlichkeit ist es nur noch ein kleiner Schritt, ein Zufall, eine Begebenheit, um bis ans Lebensende als Spinner zu gelten.«
    Jakob nickte, formte jedoch einen Schmollmund. Er war noch nicht zufrieden mit der Antwort.
    »Verrückt, Jakob, verrückt wird, wer von jenem Leben abrückt, das er im Grunde leben möchte. Dem Leben, das ihm tiefen Sinn gibt. Und verrückt wird auch, wer sein Reden und Handeln von seinem wahren Ich wegrückt.« Die Alte beobachtete die Wirkung ihrer Worte. Dann schloss sie: »Und du, Jakob, da sei dir sicher: Du bist ganz du. Du redest und handelst ganz nach deinen Werten. Du, Jakob, bist so gesund, wie es ein Mensch nur sein kann. Und ganz sicher nicht schwachsinnig. Im Gegenteil: Starksinnig bist du, durch und durch.«
    Die Worte der Großmutter taten ihm gut. Aber eigentlich wollte Jakob ja etwas anderes wissen, wie sich sein Ruf als Dorftrottel nämlich auf Silvias Gefühle auswirkte.
    »Erzähl mir von Silvia«, forderte da die Alte plötzlich, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Silvia, sie ist doch dein Mädchen, nicht wahr?«
    »Ja«, krächzte Jakob, mehr als dass er es sagte. Plötzlich war sein Mund so trocken.
    »Und wie rufst du sie?«
    Jakob verstand nicht.
    »Wie du sie nennst?«
    »Silvia«, sagte Jakob. »Sie heißt Silvia.«
    »Ja, das weiß ich. Aber wie nennt dein Herz sie?«
    Wieder verstand Jakob nicht so recht.
    »Hast du denn keinen Herzensnamen für sie?«, tat die Alte empört.
    »Einen Herzensnamen«, wiederholte Jakob. Es schien aber nicht, als ob ihm dazu etwas einfiele. Er hatte den Begriff lediglich für sich wiederholt, in der dumpfen Hoffnung, das könne ihn auf eine Idee bringen, eine kluge. Dem war nicht so. Nachdem sicher Minuten vergangen waren, während denen Jakobs Gesichtsausdruck, das musste sich wohl auch die Großmutter eingestehen, nicht anders beschrieben werden konnte als ochsig, erlöste sie ihren Enkel aus seiner Gedankenstarre.
    »Wenn sich Menschen lieben«, begann sie, »verwenden sie nicht nur jene Namen füreinander, die auch alle anderen kennen. Dann geschieht es, dass ihre Gefühle Namen schenken, die neu sind und von Sanftheit getragen. Verstehst du?«, fragte die Alte mit skeptischer Miene.
    »Milchblume«, sagte Jakob ansatzlos. »Sie ist meine Milchblume.«
    Überraschung im Gesicht der Großmutter. Milchblume. Das war nicht nur ein wundervoll zarter Name. Das war auch lebensrettende Medizin. Das bedeutete immense Kraft und zerbrechliche Schönheit gleichermaßen. Milchblume. Die Alte schlug die Augen nieder. Es schien, als erkannte sie erst jetzt, wie sehr ihr Enkel in das Mädchen verliebt war. Sie räusperte sich, richtete sich energisch auf, als wolle sie eine Gefühlsregung abschütteln. »Es ist ganz normal, dass du aufgeregt bist«, sagte sie schließlich. »Aber nach allem, was du mir über Silvia erzählt hast, trägt dein Mädchen Liebe für dich im

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