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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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dem Auto fahren, sind wir doch in einer Viertelstunde dort.“
    Resigniert klappte Allmers das Buch zu: „Es gibt zwei Bedingungen: erstens gehe ich nicht ins Wasser, meine Schwimmkünste sind so bescheiden, dass ich das nicht vorführen muss.“
    „Und die zweite?“, fragte Nina neugierig.
    „Du hältst dich an meine Anweisungen, wenn du ins Wasser gehst.“
    Nina hatte verständnislos genickt, fand ihren Onkel so albern wie die eigenen Eltern.
    Noch im Auto hatte Allmers Nina erklärt, dass die Elbe ein tückisches Gewässer sei. Sie sei ganz anders als der Eindruck, den sie vermittle, wenn die riesigen Containerfrachter, die kleinen Segler und die langen Küstenmotorschiffe friedlich auf ihr fuhren, jedes mit einem unsichtbaren Ziel. Er erzählte ihr von den vielen Unglücklichen, die regelmäßig jedes Jahr im Fluss zu Tode kamen. Die meisten ertranken, wenn sie von ihrem Schiff gefallen waren, viele überschätzten ihre Kräfte auch und schwammen zu weit hinaus, wollten die grünen oder roten Bojen, die das Fahrwasser begrenzten erreichen und meinten, dort könne ihnen noch nichts passieren. Aber die Fahrrinne war tief und die Strömung viel reißender, als man sich das vom Ufer aus vorstellen konnte. Vor ein paar Jahren hatte Allmers einen Hund beobachtet, der übermütig einem ins Wasser geworfenen Stock hinterher geschwommen war. Eine große Welle, ein Schwall Wasser hatte ihn erfasst und auf die Elbe hinaus gezogen, bis er irgendwann die Gefahr erkannt hatte und verzweifelt versuchte, das Ufer zu erreichen.
    „Hunde können gut schwimmen“, meinte Allmers, als er das Auto abschloss, „aber er hatte keinerlei Chance. Seine Besitzer schrien und fuchtelten mit den Armen, lockten ihn und waren nur mit Mühe davon abzuhalten, hinterher zu schwimmen. Irgendwann war der Hund nicht mehr zu sehen.“
    „Du erzählst Märchen“, sagte Nina erbost. „Genau wie mein Vater. Wenn der nicht will, dass ich irgendetwas tue, erzählt er auch immer Schauergeschichten wie die von dem Bach hinter unserem Haus. Dem durften Christiane und ich, als wir kleiner waren, uns höchstens auf zehn Meter nähern. Sonst käme der Schlammmann heraus, hat er uns früher immer mit drohender Stimme erzählt und dabei ein grimmiges Gesicht gemacht. Der würde uns schnappen und unter Wasser ziehen.“
    „Christiane ist jünger als du?“, fragte Allmers.
    „Das weißt du nicht?“, Nina war entsetzt. „Du kennst noch nicht einmal das Alter deiner Nichten!“
    „Ich vergesse so etwas immer“, entschuldigte sich Allmers. „Das war übrigens kein Märchen. Ich kann dir noch so eine Schauergeschichte, wie du es nennst, erzählen.“
    „Nur zu“, erwiderte Nina, „den Spaß am Schwimmen nimmst du mir nicht.“
    „Vor ein paar Jahren“, begann Allmers und überlegte kurz, „genauer gesagt vor 10 Jahren, hatte mich Ludwig, ein Freund von mir, zu einer Segeltour auf der Elbe eingeladen. Er hatte ein kleines Boot von seinem Cousin geschenkt bekommen, es lag hier im Hafen im Rutenstrom. Ich wusste nicht, ob er gut oder schlecht segeln konnte, ich habe mich nur über die Einladung gefreut. Zwei Freundinnen von uns waren auch dabei, wir hatten uns einen schönen Ausflug vorgestellt. Er hatte vorgeschlagen, nach Pagensand zu fahren und dort ein kleines Picknick zu machen. Mitten auf der Elbe merkte ich, dass es mit seinen Segelkünsten nicht so weit her war. Er hatte keinen Segelschein und wenig Erfahrung. Kurz gesagt, der Wind frischte auf und er hatte alle Segel gesetzt. Das Vorsegel und das Hauptsegel blähten sich auf und das Boot legte sich zur Seite. Wir setzten uns schnell auf die hohe Seite des Schiffes, aber die Schlagseite wurde immer mehr. Dazu fuhren wir genau in die Fahrrinne hinein, in der die Riesenpötte verkehren. Wenn man mit einem Segelbötchen wie dem unseren einem solchen Kahn in die Quere kommt, hat man keine Chance. Man wird einfach untergepflügt, das große Schiff benötigt ein paar Kilometer, bis es stillsteht.“
    Nina hörte atemlos zu.
    „Man hat ihm angesehen, dass er Ruhe zeigen wollte, aber innerlich war Ludwig in Panik geraten. Die beiden Mädchen waren aschfahl, sie hatten solche Angst, dass sie anfingen, zu schreien. Wir hatten alle Schwimmwesten an, aber die nützen dir auch nichts, wenn ein Containerfrachter über dich hinweg fährt. Das Boot lag so schief, dass ich auch damit gerechnet hatte, dass wir gleich kentern werden. Plötzlich hatte Ludwig eine Eingebung. Er machte das Hauptsegel los und das

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