Milchfieber
kompliziertesten Sachverhalte mit einem einzigen Wort auf den Punkt bringen. Wie in diesem Beispiel.
„Dieser Alex muss ein rücksichtsvoller Mensch sein“, spottete Allmers, „ein Ausbund an Höflichkeit. Erst schläft er wochenlang mit dem Mädchen, und dann fährt er ab und lässt schön grüßen. Hat er auch Horst schön grüßen lassen?“
„Keine Ahnung“, sagte Hella. „Ines hat das auf alle Fälle stutzig gemacht, außerdem ist sie natürlich immer noch verliebt.“
„Hat sie denn…“, fragte Allmers und schielte aus dem Fenster. Georg Brokelmann hatte gerade den Hof verlassen, um die Kühe von der Weide zu holen. „Hat sie denn irgendeinen Grund, der Sache nicht zu glauben?“
„Sie hat natürlich nur geheult und geschluchzt, aber was sie sich überlegt hat, ist vielleicht nicht von der Hand zu weisen: Du hast doch sicher“, nun senkte Hella ihre Stimme, was sie immer tat, wenn es Dorfgeheimnisse weiter zu erzählen galt, „von dem komischen Mord gehört.“
Allmers sah Hella mit großen Augen an: „Das glaubst du doch selbst nicht! Der??“
„Ines sagt, das Auto sei das gleiche wie das von Alex, außerdem sei der Mann so groß und alt wie Alex gewesen, sie hat das aus der Zeitung.“
„Du hast ein Laptop?“, fragte Nina verwundert, als Allmers sich bereit machte, um zu Hella zu fahren.
Allmers grinste: „Es gibt hier sogar Fernsehen. Und Coca Cola. Wir leben also nicht auf dem Mond.“
Nina war beleidigt: „Ich dachte nur…“ sagte sie.
Allmers schrieb drei Stunden. Hella setzte sich ihm gegenüber und begann zu diktieren:
„Ein Pfund Mehl, 3 Eigelb, fünf Eischwer Zucker…“
„Stopp!“, meinte Allmers, „nicht so schnell. Du hast die Rezepte schneller parat, als ich sie aufschreiben kann.“
Nina war schon zu Bett gegangen, als Allmers nachts um halb elf nach Hause kam. Hella hatte ihm wahllos Rezepte diktiert, wie sie ihr gerade eingefallen waren. Auf der Fahrt nach Hause hatte Allmers überlegt, wie man das Ganze am sinnvollsten ordnen könnte.
Kapitel 18
Es war Ninas Idee gewesen, zur Elbe zu fahren. Allmers hätte den Nachmittag lieber lesend in der Hängematte verbracht, seine Nichte hatte dagegen protestiert. Sie wolle ihm nicht beim Dösen zusehen, hatte sie gemeint, sie hätte schon immer einmal in der Elbe baden wollen. Außerdem sei sie schon eine Woche hier und die Ferien bald vorbei.
Allmers hatte schon seit seiner Kindheit nicht mehr in der Elbe gebadet, er wusste es auch von niemandem, den er näher kannte. Die meisten seiner Bekannten waren Bauern, die dafür keine Zeit hatten. Bei Badewetter waren die Bauern auf den Äckern und Wiesen, mähten Gras oder droschen Getreide.
Die Elbe war in seiner Kindheit so schmutzig gewesen, dass ein Badeverbot verhängt worden war und die langen Sandstrände auf Krautsand im Sommer nur noch zum Sonnenbaden genutzt werden konnten. Mit 15 oder 16 war er gerne hingefahren, hatte die Mädchen in den Bikinis, die sich faul in der Sonne räkelten, betrachtet und wenn er sich an den Abenden unter der Bettdecke entspannte, dachte er gerne an sie.
„Man kann jetzt nicht schwimmen“, sagte Allmers mit genervter Stimme. Er hatte sich Ninas Buchgeschenk genommen und freute sich auf kubanische Kriminalgeschichten. Dabei wollte er nicht gestört werden.
„Und warum?“, Nina ließ nicht locker. „Ich habe gelesen, die Elbe sei wieder sauber.“
„Gerade ist Ebbe, da ist es zu gefährlich.“
„Dann warten wir!“
„Es dauert 6 Stunden bis die Flut so hoch ist, dass man gefahrlos schwimmen kann.“
„Woher weißt du eigentlich“, fragte Nina misstrauisch, „dass gerade jetzt Ebbe ist?“
„Das weiß man, wenn man hier wohnt“, Allmers zeigte seine Unlust, indem er die Worte langsam und gedehnt aussprach. „Außerdem steht es in der Zeitung.“
Nina nahm die Hängematte in beide Hände und hob sie hoch wie eine Schaukel: „Wehe, das stimmt nicht!“ sagte sie und ließ los. Allmers schaukelte wie in einer Wiege, an Lesen war nicht zu denken und er überlegte, wie schwierig das Zusammenleben mit Fünfzehnjährigen im Allgemeinen und hier im Speziellen doch war.
Als Nina aus dem Haus gelaufen kam, wusste er, dass er verloren hatte. Nina schwenkte triumphierend die Zeitung und schrie: „Du Lügner! Wir fahren sofort los. In einer halben Stunde ist Hochwasser.“
Allmers seufzte und schälte sich aus der Hängematte: „Es ist halb drei, in zwei Stunden muss ich zu Garbe zur Kontrolle.“
„Wenn wir mit
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