Milchfieber
Körperverletzung, Drogen, Mädchenhandel, Autoschiebereien, die ganze Palette, alles richtig schöne Sachen. Und: er war gar nicht illegal, er hat seit Jahren einen deutschen Pass. Er ist ein Aussiedler aus Kasachstan.“
Hans-Georg schüttelte den Kopf: „Wenn er legal war, warum das ganze Spiel mit der Illegalität?“
„Da wurde Horst eine Komödie vorgespielt: Solange Horst meint, er beherberge einen Illegalen, solange meint er, er mache sich selbst strafbar. Und solange wird er ihn nicht verpfeifen, selbst wenn sich Alexej mal daneben benimmt. Clever, nicht?“
„Ich habe noch etwas für Dich, was Dich sicher interessieren würde. Hella, meine nie versiegende Quelle für aktuelle Neuigkeiten hat sich rein zufällig mit Ines unterhalten.“
Der Staatsanwalt hob die Augenbrauen: „Und?“
„Laut Ines hat dieser Alex etwas mit Lissy gehabt.“
Werner Allmers winkte ab: „Weiß ich auch schon. Deshalb sind Horst und Lissy ja ein bisschen in mein Blickfeld geraten. Und natürlich sein dummer Bruder Klaus. Der hat vielleicht auch etwas damit zu tun.“
„Klaus ist viel schlauer, als alle denken“, sagte Allmers. „Er ist nur unglaublich stur und sagt wenig. Ihm versagt einfach die Stimme, wenn er aufgeregt ist und dann stellt er sich dumm.“
Der Staatsanwalt hatte nach dem Gespräch mit Ines den Winklerschen Hof durchsuchen lassen. Das Mädchen hatte ihn mit vielen Details so überzeugt, dass er schließlich der Meinung war, dass das Verschwinden von Alexej Kowalenko „zumindest untersuchungswürdig sei“, wie er sich ausdrückte. Ines’ Verdacht, dass es sich bei dem Toten auf dem Autodach um ihren verschwundenen Liebhaber handeln könne, hatte er sich irgendwann auch zu Eigen gemacht.
Lissy und Horst Winkler wurden zu Vernehmungen nach Stade ins Polizeipräsidium gebracht. Die Hausdurchsuchung wurde nach ein paar Stunden ohne Ergebnis beendet. Man fand zwar persönliche Dinge des Verschwundenen, aber das war nicht ungewöhnlich, jeder wusste ja, dass er eine Zeitlang auf dem Hof gelebt hatte. Einen Beweis für ein Gewaltverbrechen konnte man nicht finden. Man fand keine Tatwaffe und Alex Zimmer war aufgeräumt. Ines wurde nicht zu Details der Hausdurchsuchung befragt. Sie identifizierte nur einige Kleidungsstücke, dann wurde sie dankend entlassen.
Lissy und Horst blieben bei der Vernehmung bei ihrer Version, Alex sei vor ein paar Tagen morgens zum Frühstück gekommen, schon mit gepackten Reisetaschen, habe sich für die Gastfreundschaft bedankt und sei dann mit seinem Auto weggefahren.
Auf die Frage, wohin er denn gefahren sei, hätten beide nur mit den Achseln gezuckt. Ob sie wüssten, ob und wann er wiederkommen wollte: das Gleiche. Sie hätten beide nichts gewusst.
Klaus sagte überhaupt nichts. Er schwieg so lange, bis der verhörende Beamte entnervt aufgab.
„Lissy hieß vor der Hochzeit Sziborski mit Nachnamen“, meinte der Staatsanwalt leichthin.
„Sie sollen verwandt gewesen sein“, entgegnete Hans-Georg.
Sein Bruder nickte: „Wie man es nimmt. Sie kommt aus Polen und er aus Kasachstan. Ich glaube nicht an den Schmus mit der Verwandtschaft. Sie sind höchstens geistig verwandt, wenn du mich fragst. Außerdem ist es eher ungewöhnlich, dass ein Cousin mit seiner Cousine schläft. Beide sind schräge Vögel.“
„Bekommt Horst jetzt irgendwelche Schwierigkeiten?“
Der Staatsanwalt lachte: „Ich glaube nicht, dass es strafbar ist, jemanden zu beherbergen, von dem man annimmt, er sei illegal, der es aber in Wahrheit gar nicht ist. Da würde sich jeder Jurastudent im ersten Semester auf den Arm genommen fühlen, wenn er diese Frage beantworten sollte.“
Der Staatsanwalt erhob sich: „Spät geworden. Wo ist eigentlich Nina? Ist sie schon wieder weg gefahren?“
„Sie geht früh ins Bett. Erstaunlich für eine Fünfzehnjährige, aber sie ist äußerst pflegeleicht.“
„Dann grüße sie mal von mir. Halte mal die Augen und Ohren offen. Das darf nicht wieder so ein Desaster werden wie bei Poppe.“
Nachdenklich sah Allmers seinem Bruder hinterher.
Kapitel 21
Nina verstand den Anrufer nicht, er schien seine Worte mit zusammen gepresstem Mund auszustoßen, atmete dabei schwer und antwortete auf ihre Fragen nicht. Sie legte schließlich auf. Das Telefon hatte zur Mittagszeit geklingelt und Allmers war nicht erreichbar gewesen. Nina konnte ihn erst am Abend über den Anruf informieren.
„Hat er seine Nummer gesagt?“, fragte er.
„Ich habe kein Wort verstanden. Er
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