Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas B. Morgenstern
Vom Netzwerk:
abschätzend beschrieben hatten. Lässig und faul und für jeden noch so albernen Scherz zu haben. Genau das aber gefiel ihr und sie bewunderte, wie er die ewigen Attacken seines Bruders parierte.
    Am Ende der Fußgängerzone in Stade, kurz vor dem Fischmarkt steuerte Allmers einen Friseur an. Er hatte Gutes von dem Frisiersalon gehört und wollte ihn ausprobieren.
    „Ich komme in einer halben Stunde wieder“, sagte Nina und wollte sich umdrehen, als sie plötzlich schallend lachte.
    Allmers konnte sich keinen Reim auf ihr Lachen machen und sah sie fragend an.
    „Sieh mal“, sagte sie und zeigte auf den Eingang des Frisiersalons. Direkt neben dem Schaufenster stand ein Glaszylinder, in dem sich eine rot-weiß gestreifte Säule drehte. Daneben stand ein Schild mit der Aufschrift „Dreht die Säule hell und klar, schneiden wir sofort Ihr Haar.“
    „So etwas Bescheuertes habe ich noch nie gesehen“, prustete Nina und hielt sich den Bauch vor Lachen. Allmers stimmte zu.
    „Allerdings“, sagte er und ging in den Frisiersalon.
    Allmers liebte es, zum Friseur zu gehen. Schon als Kind konnte er es kaum erwarten und freute sich jedes Mal auf den Augenblick, wenn die Friseurin, er ließ sich schon immer nur von den weiblichen Angestellten der Frisiersalons die Haare schneiden, den surrenden Rasierapparat herausholte und ihm den Nacken ausrasierte. Es durchfuhr ihn dann regelmäßig ein wohliger Schauer, der ihm als kleiner Junge nur gefiel, als Fünfzehnjährigen aber so erregte, dass er die Illustrierte, die er nebenher las, auf seinen Schoß legen musste.
    Die Friseurin sprach wenig. Sie fragte ihn, wie lange er das Haar denn tragen wolle und nachdem Allmers nur „Kurz“ geantwortet hatte, legte sie los. Eine Illustrierte konnte Allmers beim Friseur schon lange nicht mehr lesen, regelmäßig wurde er gebeten, die Brille abzunehmen. Ohne die Sehhilfe sah er sich nur verschwommen im Spiegel und musste darauf vertrauen, dass der Geschmack der Friseurin und sein eigener einigermaßen gleich waren.
    „Soll ich die Haare im Nacken gerade abschneiden oder ausrasieren?“
    Allmers nahm seine Brille, betrachtete die junge Frau und sagte: „Rasieren bitte.“
    An der Kasse erlebte er eine Überraschung.
    „Fünf Euro“, sagte die Friseurin und Allmers war zu überrascht über den niedrigen Preis um zu merken, dass er ein Trinkgeld hätte geben müssen. Verwirrt verließ er den Laden und wartete auf Nina.
    „Fünf Euro?“, fragte sie verblüfft, als er von seiner Verwunderung erzählte.
    Sie studierte die Preistafel und als sie ein zweites Mal vor dem Friseursalon in schallendes Gelächter ausbrach, wusste Allmers wieder nicht den Grund.
    „Lies mal“, japste sie. „Senio…“ Weiter kam sie nicht, das Lachen schüttelte sie so, dass sie sich an Allmers Schulter festhalten musste. „Lies doch mal“, mehr konnte sie vor Lachen nicht sagen und Allmers entzifferte:
    „Seniorenkranz 5 Euro“.

Kapitel 28
    „Kubanische Kriminalgeschichten“ las Allmers und er hoffte, dass ihn diesmal niemand stören würde. Er sah zum Himmel, beschloss, die Hängematte zwischen die beiden Bäume in seinem Garten zu hängen und sich einen gemütlichen Nachmittag zu genehmigen. Ninas Mitbringsel war ihm auf der Heimfahrt aus Stade wieder in den Sinn gekommen und er hatte beschlossen, jetzt endlich mit dem Buch zu beginnen.
    Nina hatte sich erst beruhigt, als sie fast schon den Bahnhof erreicht hatten.
    „Nicht böse sein“, hatte sie gebeten. „Ich finde, das war der Hammer! Seniorenkranz.“ Sie hatte wieder so laut gelacht, dass sich manche Fahrgäste umgedreht hatten. „Wenn ich ehrlich bin“, hatte sie nach einer Weile fröhlichen Glucksens tröstend gesagt, „habe ich erst vorhin richtig realisiert, dass du bald eine Glatze hast. Vorher ist mir das überhaupt nicht aufgefallen.“
    Allmers war gelassen geblieben. Auch sein Bruder hatte sich von dem Tag an, als er bemerkte, dass Hans-Georgs Haare schütter wurden, darüber lustig gemacht. Allmers hatte alles an sich abprallen lassen. Es lohnte sich einfach nicht, hatte er beschlossen, etwas so Unabänderliches auch noch durch unnötige Aufmerksamkeit aufzuwerten und zu einem Problem zu machen.
    „Dein Zug kommt“, hatte er gesagt und Nina hatte unsicher begonnen, in ihrer Tasche zu kramen.
    „Ich habe dir noch etwas gekauft, aber erst zu Hause aufmachen.“
    Als der Zug sich langsam in Bewegung gesetzt hatte, winkte sie so lange hinter dem Fenster bis Allmers aus ihrem

Weitere Kostenlose Bücher