Milchfieber
Gebrauchte Wäsche stapelte sich oft vor seiner Waschmaschine, es war sogar schon vorgekommen, dass er sich, wenn der Kleiderschrank praktisch geleert war, aus dem Wäscheberg gebrauchte Klamotten heraus gesucht hatte, die noch benutzbar schienen. Bisweilen fand er, dass er nach Schweiß und Jauche stank, wenn er abends ins Bett fiel, wohlig benebelt von dem abendlichen Rotwein oder Bier. Es ist ja niemand da, den es stören könnte, dachte er dann manchmal, bevor er einschlief. Als Wiebke angerufen hatte, genügte ein tiefer Atemzug. So konnte er sie auf keinen Fall empfangen. Sollte sie mit ihm schlafen wollen, wäre er eine Zumutung gewesen.
Er stand noch unter der Dusche, als Wiebke in die Küche trat.
„Hans-Georg?“, rief sie und als sie das Wasser rauschen hörte, kam sie in das Badezimmer. Sie zog den Duschvorhang bei Seite und fragte nur: „Darf ich?“
Vielleicht liebt sie mich doch, dachte er, als sie später neben ihm mit geschlossenen Augen lag. Er betrachtete sie zärtlich, streichelte über ihr rotes Haar, das immer noch so dick und fest war wie vor zwanzig Jahren. Wiebke döste mehr, als dass sie richtig schlief und verlangte mit müder Stimme nach mehr, als er aufhörte. Allmers Hand fuhr die Konturen ihres Körpers nach und als er an den Füßen angekommen war, drehte sie sich auf den Rücken und sagte:
„Noch mal“.
Allmers schlief tief, als Wiebke ihn weckte. Er sah auf seine Armbanduhr und bemerkte erschrocken, dass es mitten in der Nacht war.
„Halb zwei“, murmelte er. „Ist irgendetwas passiert?“
„Ich muss mit dir reden“, sagte sie und an ihrer Stimme merkte er, dass sie nicht geschlafen hatte.
„Jetzt?“
„Ja!“, sagte sie bestimmt, „jetzt.“
Allmers nickte müde.
„Hör zu“, sagte sie und er erinnerte sich, dass sie diese Floskel immer verwendet hatte, wenn sie etwas sehr ernst meinte. Das letzte Mal hatte sie die beiden Worte zu ihm gesagt, als sie sich als junges Mädchen von ihm getrennt hatte.
„Hör zu“, hatte sie damals zu ihm gesagt „das wird nix mit uns beiden. Werde erst einmal erwachsen.“
Er bezweifelte, ob er den Rat je angenommen hatte.
„So geht das nicht weiter“, fuhr sie fort und starrte auf einen Punkt irgendwo in seinem Schlafzimmer. Der Vollmond erhellte den Raum und Allmers konnte Wiebkes Silhouette gegen das Schlafzimmerfenster sehen. Als Fünfzehnjähriger war Allmers begeistert gewesen von ihrer Figur. Sie war groß und ihre Proportionen stimmten, hatte er gefunden. Egal aus welcher Perspektive er sie betrachtet hatte.
Bei ihrer Heirat mit Jochen Wiborg war sie fett gewesen, fast aufgedunsen. Allmers hatte das damals nur mit Spott bedacht, er hatte die Liebe zu ihr aufgegeben. Nach der Scheidung war sie in das andere Extrem gerutscht und so dünn geworden, dass sich Allmers Sorgen gemacht hatte. Jetzt, stellte er fest, begann sie wieder etwas zuzunehmen, aber sie sah noch nicht wieder so aus, wie er sie am liebsten hatte. Ihr großer Busen passte dann perfekt zu ihrem Oberkörper und die kleinen Speckröllchen an der Hüfte, die sie immer ärgerten, fand er erotisch. Ihre runden und festen Schenkel endeten dann im schönsten Hintern, den er sich vorstellen konnte. Das Begehrenswerteste an ihr war für ihn aber das rote, dichte Dreieck ihrer Scham. Und das war unabhängig von ihrer Figur. Es gab keine Stelle an ihrem Körper, den er so anbetete. Nicht nur, weil er dahinter immer wieder ihre Begierde fand und immer neue Wollust entdecken konnte, sondern auch, weil er es liebte, seine Nase von den kleinen krausen Haaren kitzeln zu lassen und nach der Liebe darin Wiebkes betörenden Geruch in sich auf zu nehmen.
Wiebke drehte sich zu ihm um und sah ihn schweigend an. Sein Herz klopfte, er hatte nicht nur die Befürchtung, nun sei alles zu Ende: er wusste , Wiebke würde ihn jetzt für immer verlassen. Diese Nacht war ihr Abschiedsgeschenk für ihn.
„Aber“, versuchte er zu erwidern. Sie schnitt ihm das Wort ab:
„Lass mich ausreden. So geht das nicht weiter mit uns beiden. Seit mehr als zwanzig Jahren können wir nicht mit einander und nicht ohne einander. Ich denke, jetzt ist es Zeit. Wir müssen uns entscheiden.“
Allmers kämpfte mit den Tränen. Er wusste, welche Entscheidung er fällen würde, aber er war ohne Hoffnung. Ihre stand fest, das war ihm klar.
„Und?“, fragte er zaghaft, „ jetzt schickst du mich endgültig in die Wüste?“
„Ach Hans-Georg“, sagte sie, „wenn du wüsstest, wie schwer mir
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