Milchgeld: Kluftingers erster Fall
ging, lief er zu Kluftinger und rief »Schöne Grüße an meine Taube« ins Telefon und unterstrich seinen Gruß mit drei in die Luft gehauchten Schmatzern, die er so nahe an Kluftingers Wange ausführte, dass es aussah, als würde er den Kommissar küssen. Kluftinger hielt den Hörer ans andere Ohr weil es ihm unangenehm war, wenn ihm jemand so auf die Pelle rückte. Der Doktor wechselte ebenfalls die Seite und rief in den Hörer:
»Hol’ doch Annegret auch ans Telefon, dann können wir zu viert telefonieren.«
Nach einigem Rauschen und Knacken erklang schließlich eine zweite Stimme am Telefon. »Na, vertragt ihr euch auch gut?«, wollte Annegret wissen und in ihrer lachend vorgebrachten Frage lag auch ein klein wenig echte Besorgnis.
»Ja und wie. Wir haben zusammen gekocht. Ge-kocht!«, rief Langhammer so laut, dass Kluftinger ihn mit den Worten »Ich brauch mein Trommelfell fei noch« maßregelte.
Nach ein paar weiteren Nettigkeiten und mindestens einem Dutzend weiterer Küsse von Langhammer verabschiedeten sich die Frauen von ihren Männern und klangen dabei über deren gemeinsame Abendgestaltung sehr zufrieden.
Als Langhammer Kluftinger nach dem Gespräch anbot, den Abwasch gemeinsam zu machen, widersprach Kluftinger vehement: Nein, auf gar keinen Fall würde er es zulassen, dass ein Gast bei ihm den Abwasch mache, das würde er jetzt gleich ganz allein erledigen – wobei er die Worte »jetzt gleich« besonders betonte.
Kluftinger war selbst ein wenig überrascht, dass Langhammer wirklich ging, allerdings nicht, ohne ihm an der Tür noch das Versprechen abzunehmen, dass sie das bald mal wieder machen müssten. Kluftinger willigte ein – er hätte alles versprochen, um Langhammer endlich aus der Wohnung zu bekommen.
Eine letzte Spitze konnte er sich allerdings nicht verkneifen:
»Da machen wir uns dann eine leckere gebratene – Taube!«
»Ist recht, Butzele«, antwortete Langhammer, drehte sich um und ließ einen sprachlosen Hausherren an der Tür zurück.
Beim nächsten Mal würde Kluftinger eine Ausrede parat haben.
***
Während des gesamten Essens war Kluftinger nicht nur mit dem Gedanken beschäftigt gewesen, wie er Langhammer am schnellsten wieder loswerden könnte; auch die im Moment laufende Beschattung hatte ihn in eine gewisse Unruhe versetzt.
Natürlich erhoffte er sich einerseits ein schnelles Ergebnis; andererseits wäre er auch ein wenig enttäuscht gewesen, wenn sich etwas Entscheidendes ausgerechnet dann getan hätte, wenn er nicht dabei war.
Deswegen hatte er Strobl und Hefele, die die erste Nachtschicht übernommen hatten, auch das Versprechen abgenommen, ihm auf jeden Fall sofort Bescheid zu sagen, falls sich irgendetwas tun sollte. Er blickte auf die Uhr: Es war viertel nach elf, aber die Kollegen hatten sich noch nicht gemeldet. Kluftinger griff zum Telefon und wählte Strobls Handy-Nummer.
Es tutete dreimal, viermal … niemand hob ab. Kluftinger legte auf, wählte noch einmal und kontrollierte bei jedem Tastendruck in seinem Notizbuch nach, ob er auch die richtige Nummer gewählt habe.
Diesmal wurde nach dem zweiten Klingeln abgehoben.
Zunächst hörte er ein lang anhaltendes Räuspern, das so laut war, dass Kluftinger sich den Telefonhörer auf Armlänge vom Ohr hielt. Dann meldete sich eine belegte, raue Stimme: »Ja?«
Kluftinger erkannte die Stimme nicht, deswegen antwortete er mit einer Gegenfrage: »Hallo? Wer ist denn da?«
»Und wer ist da?«, schallte es zurück. Jetzt hatte er die Stimme identifiziert. Kluftinger stieg die Zornesröte in die Nase: »Na ich, Kluftinger! Bist du das Strobl?«
Wieder ein Räuspern: »Ja, ich bin’s, was gibt’s?«
Kluftinger war sofort klar, dass Strobl geschlafen hatte.
»Habt ihr etwa geschlafen?«, fragte er trotzdem.
»Ich … also nein, nein, natürlich nicht, wie kommst du darauf?«
Was jetzt folgte, war einer der seltenen und vielleicht gerade deswegen so gefürchteten Wutausbrüche des Kommissars. »Lüg’ mich nicht an«, hauchte er zunächst ein wenig entkräftet in den Telefonhörer, denn ein so plötzlicher Wutanfall machte ihn immer etwas atemlos. Wenn er etwas hasste, dann war es, angelogen zu werden. »Ich glaub’, ich spinne. Ja ist denn das die Möglichkeit? Ja seid’s ihr denn völlig wahnsinnig? Himmelherrgottsakramentnochmal.« Mit jedem Wort wurde Kluftinger lauter. Strobl wollte etwas erwidern, doch Kluftinger ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. »Ist euch eigentlich klar, dass wir
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