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Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Titel: Milchgeld: Kluftingers erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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Waldstück und der Straße und dem Hof waren leer – bis auf die Baumgruppe, hinter der er sich befand. Der Kommissar rieb sich zufrieden die Hände: Der Platz war wie geschaffen für eine Observierung. Er setzte sich wieder in sein Auto. Der kleine Spaziergang hatte seinen Hunger endgültig zu Tage gefördert. Also packte er die Schüblinge aus, nahm sich die Semmel, griff nach dem Getränk … Er erschrak: Er hatte vergessen, sich etwas zu trinken mitzunehmen.
    »Sapperment, sapperment«, fluchte er laut. An alles hatte er gedacht, nur nicht an das Wichtigste. Essen, ja aufs Essen könnte er verzichten. Tagelang, wenn es sein musste. Aber aufs Trinken? Es reichten schon wenige Stunden ohne Flüssigkeit, um die ersten Mangelerscheinungen auszulösen, hatte er einmal gelesen. Nach etwa zwei bis drei Tagen konnte man sterben.
    Gut, soweit würde es nicht kommen, aber ihm schmeckte kein Essen, wenn er dazu nicht auch etwas trinken konnte.
    Das Plätschern des Baches drängte sich aus seinem Unterbewusstsein in seine Wahrnehmung. Natürlich! Er würde sich eben einfach Wasser aus dem Bach holen. Wie früher. Aber womit? Er blickte sich im Auto um. Das einzige, was dicht halten würde, war die Brotzeittüte, in die er seine Semmel eingepackt hatte. Er legte also alle Brötchen auf den Beifahrersitz und stieg aus. Obwohl der Bach nur wenige Meter entfernt war, musste er vorsichtig sein, um sein Versteck nicht zu verraten. Also ging er in gebückter Haltung bis zum Wasser und ließ die Tüte vollaufen, hatte dabei aber immer ein Auge auf den Hof.
    Als er wieder im Auto saß, war er mit sich zufrieden. »Wie früher«, sagte er laut und meinte dabei die Zeit, als das Allgäu für ihn und seine Schulfreunde nichts als ein großer Abenteuerspielplatz gewesen war. Er biss herzhaft in einen Schübling und setzte die Tüte an. Etwa die dreifache Menge Wasser, die in seinem Mund landete, rann rechts und links seine Mundwinkel entlang in seinen Kragen und wurde auf dem Weg zum Hosenbund von seinem Hemd aufgesogen. Kluftinger sprang auf und ließ dabei Wurst, Semmel und vor allem Tüte auf den Fahrersitz fallen. Mit einem kräftigen Platschen ergoss ich der Inhalt der Tüte auf die Sitzfläche.
    »Hura …«, fluchte Kluftinger, verschluckte aber den zweiten Teil des Wortes erschrocken, weil ihm bewusst wurde, dass lautstarkes Fluchen nicht gerade zu den herausragenden Tugenden eines observierenden Polizeibeamten gehörte.
    Kluftinger besah sich die Sauerei auf seinem Sitz: Die Semmel hatte die Flüssigkeit zu einem großen Teil aufgesogen. Ein paar Brösel hatten sich bereits gelöst und sich mit dem restlichen Wasser zu einer breiigen Masse vereint. Kluftinger nahm die Semmel und pfefferte sie ins Gestrüpp. Die angebissene Wurst schmiss er hinterher, was ihm wenig später schon wieder leid tat, denn eigentlich war sie ja noch völlig in Ordnung gewesen Sein Fahrersitz hingegen war alles andere als in Ordnung. Darauf könnte er sich heute nicht mehr niederlassen.
    Missmutig kramte er in der Kühltasche nach den Servietten, die er sich zu Hause eingepackt hatte, und belegte damit sorgfältig jeden Quadratzentimeter des Sitzes. Anschließend räumte er die Lebensmittel, das Fernglas und das Handy vom Beifahrersitz nach hinten in den Fond des Wagens um für sich Platz zu machen. Die Kühltasche stellte er ebenfalls nach hinten. Der Appetit war ihm bis auf weiteres vergangen.
    Erst zwei Stunden später aß Kluftinger wieder eine Kleinigkeit. Allerdings nicht, weil er hungrig war. Er hatte mit einem viel größeren Problem zu kämpfen: Ihm war langweilig. Nicht nur ein bisschen. Seine Langeweile war derart ausgeprägt, dass sie die Minuten qualvoll zerdehnte. Kluftinger fiel wieder ein, warum er sonst so ungern bei Observationen dabei gewesen war. Aber er hatte gedacht, dass die möglicherweise nahende Lösung des Falles, die heiße Spur, auf der er sich befand, für genug Aufregung auch in einer ereignislosen Nacht sorgen würde. Er hatte sich geirrt.
    Er schaltete das Radio an. Auf Bayern Eins lief gerade eine Sendung mit Schlager-Evergreens. Allerdings war ihm jetzt gar nicht nach Schlager, also schaltete er weiter. Er blieb kurz auf Bayern 4 hängen, das gerade den Teil einer Reihe mit modernen Komponisten klassischer Experimentalmusik brachte. Er hörte den dissonanten Klängen eine Weile zu und schüttelte dann den Kopf. »Und so was nennen die noch Musik«, sagte er laut und drehte dabei den Senderknauf weiter.
    Auf Bayern 5

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