Milchgeld: Kluftingers erster Fall
größeren Betrieb arbeiten können?«
Zum ersten Mal zögerte Schönmanger bei einer Antwort, was dem Kommissar nicht entging.
»Sehen Sie, wir hatten einfach Glück, dass wir Wachter damals, als es ihm, nun, als er sich gerade von seiner vorigen Firma trennte, für uns gewinnen konnten. Und er kam ja aus dem Allgäu, und Sie wissen ja, irgendwann zieht es jeden wieder in die Heimat zurück, gerade, wenn es dort so schön ist wie bei uns …«
Das letzte Argument hatte der Kommissar schon einmal gehört. Er wollte später noch darauf zurückkommen.
Schönmanger machte eine kurze Pause und dachte nach. Dann sagte er zögernd: »Wissen Sie, ich will nicht unbescheiden klingen. Aber auch in unserer Firma hat es ihm, glaube ich, gefallen. Wir haben hier ein außergewöhnliches Betriebsklima. Das liegt vielleicht daran, dass die Firma seit drei Generationen in Familienbesitz ist. Ich habe mir hier schon als Kind mein erstes Milchgeld verdient. Das alles haben mein Vater und mein Großvater aufgebaut.« Bei diesen Worten machte er eine Handbewegung, mit der er auf die Fotos an der Wand zeigte, auf denen historische und neue Ansichten des Betriebs zu sehen waren. »Das ist mein Leben, verstehen Sie? Daran ist sogar meine Ehe zerbrochen. Meine Frau konnte einfach nicht verstehen, dass ich mehr mit der Firma verheiratet war. Sie hatte wohl recht.«
Kluftinger nickte verständnisvoll, ging aber auf die privaten Einlassungen Schönmangers nicht weiter ein.
»Könnte ich das Labor einmal sehen? Wachters Arbeitsplatz meine ich?«
»Nun ja, das ist ein sehr sensibler Bereich, aber Ihnen kann ich ihn wohl zeigen. Ich sage Ihnen aber gleich, dass ich mich dort so gut wie gar nicht auskenne. Mein Metier sind mehr die Zahlen, ich bin eher Betriebswirt, auch wenn ich damals auf Wunsch meines Vaters Käser lernen musste …«
Vor dem Betreten des Labors musste sich Kluftinger einen weißen Kittel, Überschuhe aus Plastikfolie und eine alberne Laborhaube anziehen, die auch die Mitarbeiter im Produktionsbereich der Käserei, in den man durch einige Fenster im Gang blicken konnte, trugen. Auch Schönmanger zog die Sachen über.
»Wie gesagt, ich kenne mich hier nicht so aus und Bartsch hat sich heute frei genommen. Es ist nur unsere Assistentin im Entwicklungslabor und die hat gerade Mittagspause. Und das Untersuchungslabor wird Sie ja weniger interessieren«, entschuldigte sich Schönmanger.
Tatsächlich konnte Kluftinger ohne Hilfe nichts im Labor anfangen. Er sah Fläschchen, Reagenzgläser und Apparaturen, die ihm nicht weiterhalfen. Er würde noch einmal wiederkommen.
»Herr Schönmanger, vielen Dank für Ihre Geduld, ich kündige aber gleich einen weiteren Besuch an, wenn eine Laborführung möglich ist.«
»Kein Problem, auch uns ist natürlich sehr an der Aufklärung dieses schrecklichen Unglücks gelegen.«
Unglück, dachte Kluftinger, interessanter Begriff für ein solches Verbrechen.
»Bevor Sie gehen, Herr Kluftinger, möchte ich Ihnen aber noch etwas Käse mitgeben. Sie mögen doch Käse? Wir lassen alle unsere Besucher gern von unseren Produkten probieren.«
»Gern«, sagte Kluftinger, der insgeheim schon damit gerechnet hatte, etwas mit nach Hause zu bringen.
Schönmanger ging in die Produktionshalle und kam kurz darauf mit einer Papiertüte zurück. Er hielt sie Kluftinger hin.
»Also, Emmentaler, Camembert, Camembert leicht und eine kleine Auswahl unserer Lean-Produkte, sogar der mit Ruccola. Sie sind quasi Testperson, den Käse gibt es ja eigentlich noch gar nicht. Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen noch vom Weißlacker mit …«
Natürlich wollte Kluftinger. Kluftinger liebte diesen Käse. Es war für ihn ein Käse, den man hassen oder lieben musste. Seine Frau hasste ihn und kaufte ihn auch nie. Kluftinger kam nur an diesen Käse, wenn er von seiner Frau zum Einkaufen geschickt wurde. Sie verpackte den Weißlacker dann sofort in eine Tupperdose, weil sie den ihrer Meinung nach bestialischen Gestank im Kühlschrank nicht ertragen konnte.
Kluftinger selbst musste, wenn er ehrlich war, zugeben, dass diese Art Käse etwas »räs«, also für feine Nasen geradezu eine Kriegserklärung war. Sein Sohn hatte einmal gesagt, er rieche wie seine Turnschuhe, wenn er sie zehn Tage am Stück ohne Socken getragen hatte und insgeheim musste er seinem Sprössling zustimmen.
Kluftinger verabschiedete sich und ging zum Auto. Er beschloss, den Käse zu Hause noch in den Kühlschrank zu legen, da er ja schon so gut wie in
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