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Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Titel: Milchgeld: Kluftingers erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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diese Frage gestellt hatte, eine andere Interpretation der Ereignisse parat gehabt.
    »Er hatte eben Schwierigkeiten im Beruf. Etwas, was er tat, gefiel der Firma nicht. So genau weiß ich darüber auch nicht Bescheid. Sie müssen bedenken, ich war damals praktisch noch ein Kind. Das meiste weiß ich auch nur aus nachträglichen Erzählungen. Hören Sie, ich will nicht unverschämt erscheinen, aber ich möchte doch sicher stellen, dass mit der Beerdigung alles klappt. Ich fühle mich auch etwas angeschlagen. Ich wäre sehr froh, wenn wir das weitere Gespräch vertagen könnten. Die Organisation bleibt wieder an mir hängen, auch wenn meine Schwester morgen kommt. Sie kann Ihnen sicher auch noch mehr über Papa erzählen, sie hatten ja ziemlich regen Kontakt.«
    Kluftinger war nicht entgangen, dass Julia zum ersten Mal »Papa« gesagt hatte. Auch wenn er im Moment nicht recht einschätzen konnte, ob sie es bewusst getan hatte, appellierte diese Äußerung an das Taktgefühl des Kommissars, an das Engelchen in ihm. Er hatte das einmal in einem Film gesehen: Auf der Schulter eines Mannes waren abwechselnd ein Engelchen und ein Teufelchen erschienen, die ihm zu jeweils gegenteiligen Handlungen rieten.
    Sein Engelchen sagte nun, dass ihr Vater gerade ermordet worden war, und er nicht länger auf dem Gespräch insistieren sollte, wenn sich die junge Frau nicht wohl fühlte. Sein Kriminalerteufelchen sagte etwas anderes. Es gab noch einige Punkte, an denen es gerne in die Tiefe gegangen wäre. Und Kluftingers Kriminalerteufelchen war ein schlechter Verlierer.
     
    ***
     
    Kluftinger war geschafft. Nicht, dass es ein außergewöhnlich anstrengender Arbeitstag gewesen wäre. Was ihm am meisten zusetzte, war die Tatsache, dass ihn der heutige Tag kein Stück weiter gebracht hatte. So fühlte er sich jedenfalls. Auf der Fahrt nach Hause versuchte er sich einzureden, dass in den Gesprächen in der Firma und mit der Tochter des Ermordeten irgendein Hinweis lag, der ihn, vielleicht erst später, auf die richtige Spur bringen würde. Aber er glaubte selbst nicht daran. Er zermarterte sich das Hirn, ging die Fakten noch einmal durch – nichts. Als er seinen Wagen vor der Garage abstellte und die Tür abschloss, wusste er nicht mehr, welchen Weg er genommen hatte: Autobahn oder Landstraße? Er konnte es nicht sagen. Der Gedanke entlockte ihm ein kurzes Lächeln. Wie konnte sein Chef erwarten, dass er einen Mordfall lösen würde, wenn er nicht einmal sagen konnte, auf welcher Straße er soeben nach Hause gefahren war?
    Sein Lächeln verflog, als er sich in der Scheibe des Wagens sah: Er sah so aus, wie er sich fühlte. Und das war noch die schmeichelhafteste Formulierung, die ihm dazu einfiel. Er zögerte, bevor er ins Haus ging. Irgendetwas musste er noch finden, einen kleinen positiven Gedanken, der ihm den Abschied von diesem Arbeitstag erleichterte. Einen Strohhalm, an den er sich klammern konnte. Er wusste, wenn er heute Abend so ins Bett gehen würde, würde er wieder kein Auge zu bekommen.
    Ich geh morgen und schau mir noch mal den Tatort an, sagte er zu sich selbst. Das war es. Irgendwas würde er da schon finden. Irgendwas fand er immer.
     
    ***
     
    Als er seine Jacke auszog, hörte er den Fernseher im Wohnzimmer. Schlagartig sank seine eben mühsam gebesserte Laune wieder. Ihm wurde bewusst, dass das, was ihm jetzt bevorstand, vielleicht die schwierigste Aufgabe des ganzen Tages war.
    »Servus«, rief er in Richtung der Tür und erntete ein »Hallo« von drinnen. Schnell ging er in Richtung Küche, um sich ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Er musste es ihr sagen, daran bestand kein Zweifel. Aber wie würde sie reagieren? Es würde eine Menge Ärger bedeuten, das war ihm klar, aber genau davon hatte er im Moment wirklich mehr als genug. »Ich kann jetzt unmöglich mit in Urlaub fahren«, sagte er halblaut, als er das Bier eingoss und dabei etwas zu schwungvoll war und den überquellenden Schaum abschlürfen musste. Ein paar Tropfen liefen auf den Tisch. Kluftinger nahm ein Geschirrtuch und wischte darüber.
    »Was machst du denn da?«, fragte seine Frau verwirrt. »Fängst du jetzt auf einmal an, bei der Hausarbeit zu helfen?« Er blickte auf das Geschirrtuch in seiner Hand und gab es ihr mit einem Schulterzucken. Er ärgerte sich, dass er nicht einfach ins Wohnzimmer gegangen war. Jetzt hatte sie ihn mit einem Geschirrtuch »erwischt« und würde gleich merken, dass etwas nicht stimmte.
    »Stimmt was

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