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Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Titel: Milchgeld: Kluftingers erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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so gut wie nie sehen. Aber wir brauchen dieses Business-Life. Ich könnte nicht wie meine Schwester zwei Kinder aufziehen und dafür auf jeglichen Erfolg und jegliche Anerkennung im Beruf verzichten.«
    Kluftinger vermied es, nach der Bedeutung der Wörter »Creative Art Director« zu fragen.
    »Sie haben also keine Kinder?«
    »Nein, Gott bewahre, woher sollte ich dafür im Moment die Zeit nehmen? Wissen Sie, meinem Vater missfiel diese Situation auch etwas, glaube ich. Obwohl er selbst ja eher der Karrieretyp war als ein treusorgender Vater. Aber meine kleine Schwester in Italien, seine kleine Theresa mit seinen kleinen Enkelkindern, das war schon etwas für ihn. Frauen und Karriere, ich glaube, das ging für ihn nicht recht zusammen. Der Mann sollte erfolgreich sein und die Frau sollte nach außen hin etwas repräsentieren und ansonsten still die Familie versorgen.«
    Julia Wagner war während ihrer Ausführungen etwas in Rage geraten, was nicht recht zu ihrem glatten, beherrschten Auftreten passte. Das wurde offenbar auch ihr klar, weshalb sie nachschob: »Nein, nicht, dass Sie jetzt denken, mein Vater hätte sich nie um die Familie gekümmert, das nun auch nicht …«
    »Frau Wagner«, hakte Kluftinger ein, »mir ist sehr daran gelegen, dass wir offen miteinander sprechen. Wieso hatten sie so wenig Kontakt zu Ihrem Vater?«
    »Als die Familie ins Allgäu zog, war ich gerade sechzehn. Das ist wohl ohnehin das Alter, in dem man etwas Schwierigkeiten mit den Eltern hat. Ich habe es meinem Vater nie recht verziehen, dass ich damals mein ganzes Umfeld verlassen und hierher aufs Land gehen musste. Er war oft auf Geschäftsreisen unterwegs, gerade in der Zeit, als wir und vor allem unsere Mutter ihn am Nötigsten gebraucht hätten. Er brachte uns von jeder Reise Mitbringsel, teure Sachen, wissen Sie. Im Nachhinein dachte ich oft, er tat das nur aus schlechtem Gewissen heraus.« Die Erinnerung schien sie aufzuwühlen. Sie unterbrach ihre Erzählung und bat um ein Glas Wasser. Kluftinger zapfte es selbst aus der Leitung, da im Kühlschrank nur Bier und Saft standen.
    Etwas gefasster fuhr sie fort: »Ich denke auch, dass, wenn der Schmuck für meine Mutter besonders üppig ausfiel, er damals schon andere Frauen hatte. Und als wir hierher umgezogen waren, spitzte sich die Situation in unserer Familie zu. Mein Vater war zuerst nicht eben glücklich über die neue Arbeit und den Umzug, wie Sie sich vielleicht denken können.«
    Anscheinend gab es verschiedene Meinungen zu Wachters Motiven, ins Allgäu zu ziehen. Er hatte bereits mehrmals gehört, Wachter sei gewissermaßen aus Lokalpatriotismus und wegen seiner innigen Liebe zu seiner Heimat wieder zurückgekommen. Und nun sollte er sich wieder denken können, dass Wachter über den Umzug nicht glücklich sein sollte? Julias Drang, weiter zu erzählen, hinderte Kluftinger im Moment daran, einzuhaken.
    »Und hier angekommen, wurden seine Affären mit anderen Frauen immer heftiger. Er gab sich nicht einmal mehr große Mühe, sie vor meiner Mutter geheim zu halten. Die Scheidung meiner Eltern war lediglich eine Frage der Zeit, wissen Sie …«
    Nach diesem »Wissen Sie« sah Kluftinger die Zeit gekommen, nachzufragen.
    »War Ihr Vater denn nicht froh, wieder im Allgäu zu sein? Er war doch hier aufgewachsen?«
    »Man kann nicht gerade sagen, dass er darüber froh war. Er hatte in Köln nicht nur einen überaus lukrativen, sondern auch einen sehr interessanten Job. Er ging darin wirklich auf und ich kann das nachvollziehen, darin sind wir, ich meine, darin war mein Vater mir wohl sehr ähnlich. Und er war sehr angesehen. Auf seinem Gebiet war er der ungekrönte König, er sprach auf Kongressen und Fortbildungen für Lebensmittelchemiker und war dort der gefeierte Star.«
    »Warum gab Ihr Vater dann diese Stellung auf?«, fragte der Kommissar.
    »Er gab sie nicht auf. Er ging nicht, er wurde gegangen. Und der Job hier, na ja, war für seine damalige Stelle kein wirklich angemessener Ersatz. Am Anfang zumindest. Ich glaube, er machte dann auch hier seinen Weg; und es stimmt: Er liebte das Allgäu. Aber erst einmal wollte er mit allen Mitteln unseren und wohl vor allem seinen Lebensstandard sichern.«
    Interessant, dachte Kluftinger. Der Star der Lebensmittelchemie wurde gekündigt und musste zusehen, dass er seinen Lebensstandard halten konnte.
    »Was war denn vorgefallen, dass ihr Vater seine Stellung verlor?«
    Er war gespannt auf die Antwort, denn bisher hatten alle, denen er

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