Milchmond (German Edition)
Sylvia saß ihm gegenüber und griff zu seiner auf dem Tisch liegenden Hand.
»Ja, mir gefällt es auch besser, die Strecke in Ruhe anzugehen. Man wird eben älter und gesetzter!« flachste er.
»Nun, hör aber auf! Wie sich das anhört. Ich freue mich schon auf den Schnee. Es sollen sechzig Zentimeter im Ort liegen und oben auf der Rosshütte sogar zwei Meter. Ein Glück. Hätte noch gefehlt, dass wir nicht Skilaufen können!«
»Ja, es sieht gut aus, was das angeht. Ich habe mir schon überlegt, ob ich mir für die nächsten drei Tage einen Privatskilehrer engagiere. Würdest du mitmachen?«
»Wenn ich ihn aussuchen darf, meinetwegen«, stimmte sie gut gelaunt zu. »Aber nur zwei Stunden am Tag! Danach will ich meinen Spaß haben und mit dir allein laufen.«
»Abgemacht! Ich hätte gar nicht gedacht, dass du mitmachen würdest. Ich freu mich.« Tobias drückte zufrieden ihre Hand. Der Abend verlief sehr harmonisch. Als sie schließlich auf ihr Zimmer gingen, baten sie die Rezeption noch, sie am nächsten Morgen um sieben Uhr zu wecken.
Sie setzten die Fahrt am nächsten Tag bei blauem Himmel fort. Tobias genoss das Fahren mit seinem Siebener-BMW. Sie blieben auf der A7 bis hinunter nach Kempten, dort verließen sie die Autobahn, weil sie für die Fahrt durch die schöne Landschaft Bayerns die kleineren Straßen bevorzugten. So gelangten sie über Schongau und Garmisch-Partenkirchen an den Alpenrand.
Das Weiß auf den Wiesen nahm beständig zu und als sie die letzten Kilometer hinter Garmisch hinauf auf das Seefelder Hochplateau fuhren, umfing sie bereits eine in der Sonne glitzernde Schneepracht. Sie erreichten das Fünf-Sterne-Hotel im Zentrum Seefelds am frühen Nachmittag.
Als sie im Carport des Hotels einparkten, herrschte dort bereits geschäftiges Treiben. Leute gingen ein und aus, beladen mit Koffern und Skiausrüstungen. Hotelbedienstete halfen beim Transport der schweren Gepäckstücke.
Sie stiegen aus, reckten und streckten sich in der hellen Sonne und genossen die ersten tiefen Atemzüge der klaren Bergluft. Zwei herrliche Wochen lagen vor ihnen.
In der großzügigen Hotelhalle stand ein prächtig geschmückter Weihnachtsbaum, an dessen Schmuck noch letzte Hand angelegt wurde. Sie erhielten ein Doppelzimmer im zweiten Stock mit direktem Blick auf den Gschwandtkopf. Dort sah man die große Sesselbahn, die unaufhörlich Skifahrer nach oben zum Gipfel schaufelte. Wie die Ameisen wedelten die Läufer den Hang hinab, einige in selbstmörderischem Tempo.
Sylvia kehrte vom Balkon zurück ins Zimmer, wo Tobias bereits mit dem Ausräumen der Koffer begannen hatte. »Mir knurrt der Magen, Schatzi. Lass doch das Gepäck erstmal Gepäck sein. Das können wir auch später einräumen. Ich hätte Lust, zu unserer Sonnenterasse am Ortsrand zu gehen und noch ein paar Sonnenstrahlen zu genießen«. Sie hatte ihn von hinten umfasst und so standen sie einen Moment eng umschlungen in dem sonnenüberfluteten Hotelzimmer.
»Du hast Recht!« Er schaute auf seine Uhr. »Wenn wir Glück haben, können wir dort noch anderthalb Stunden die Sonne genießen. Wer zuerst unten am Hotelausgang ist, wird vom Verlierer eingeladen!« Er zog ihre Hände auseinander und machte sich frei. Beide rissen ihre Jacken unter den Arm und rannten lachend den Flur entlang. Zum Glück trafen sie dort auf keinen Menschen, der an ihrem Verstand zweifeln konnte. Außer Atem kamen sie unten an. »Erster!« Sylvia beanspruchte das Recht des Siegers, obwohl sie beide genau zeitgleich durch die Automatiktür des Hotels stürmten.
»Na gut, du hast gewonnen!«, gab sich Tobias geschlagen. Sie hakten sich ein und marschierten durch das belebte Ortszentrum. Sylvia trug ihre blau eingefärbte lange Silberfuchsjacke. Hier passte sie genau hin. Wohin man sah, waren fast alle Frauen in Pelz gekleidet. Tobias kannte keinen anderen Ort, wo der Hang zum Pelz so ausgeprägt war wie hier. Er hatte ihr die Jacke bei ihrem ersten Besuch vor zwei Jahren geschenkt.
Anfangs hatte sie Hemmungen gezeigt, Pelz zu tragen, aber dann, nach sehr kurzer Eingewöhnung, schwärmte sie von dieser Jacke in den höchsten Tönen, denn sie war angenehm leicht zu tragen und dabei mollig warm. Sie stand ihr ausgezeichnet. Nach kurzem Spaziergang erreichten sie am Ortsrand das Hotel mit der Sonnenterrasse. Sie hatten Glück, dass gerade ein Pärchen einen Tisch direkt an der wärmenden Außenholzwand des
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