Milchmond (German Edition)
Schmollmund verriet ihm, was sie von diesem Abendprogramm hielt. »Danach gehen wir noch ins Casino, okay?« , fügte er grinsend hinzu. Mit Speck fängt man Mäuse, dachte er schmunzelnd bei sich.
Sie kannte seine Vorliebe für das Schauspiel und fügte sich in der Regel ergeben in ihr Schicksal. Meistens war es so, dass sie erst wenig Lust darauf hatte, danach konnten sie aber stundenlang über die Stücke diskutieren und sich gehörig in die Haare kriegen. Sie hatten sich mit ihren unterschiedlichen Berufsfeldern arrangiert. Sie, als Sportredakteurin, freute sich, wenn er sie zu Sportveranstaltungen begleitete. Dabei machte er sich überhaupt nichts aus Sport. Ihr zuliebe ging er jedoch oft mit. Sie hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, den Partner mit Kleinigkeiten zu belohnen, wenn der sich zu ungeliebten Aktivitäten bereit erklärte. Er lockte sie meist erfolgreich mit gemeinsamen Casino-Besuchen. Roulette war nämlich ihre Leidenschaft. Sie gewann sogar meistens und konnte sich dann so mädchenhaft darüber freuen, dass es ihm das Herz wärmte und er ihrem Zauber ganz und gar erlag.
Wenn sie ihn überreden wollte, sie zu begleiten, lockte sie ihn gerne mit anschließendem Essen in einem Gourmettempel. Er liebte die Feine Küche und einen edlen Tropfen.
»Okay, also Dürrenmatt«, stimmte sie seufzend zu.
Gina, die Bedienung, brachte die Getränke und die Bestecke. Sie hoben die Gläser und prosteten sich zu.
»Ich hatte heute wieder einmal Ärger mit Chris neuer Assistentin, dieser eingebildeten Veronika. Die passt überhaupt nicht ins Team. Naja, ist mal wieder die alte Leier, dass Männer besser gucken als denken können. Solche Möpse hat die…«, dabei machte sie eine entsprechende Geste, »…und die weiß sie auch gekonnt in Szene zu setzen, wenn du weißt, was ich meine.« Tobias hörte amüsiert zu. »Wenn du mich fragst, wird die nicht alt bei uns. Ich gebe ihr drei Monate, dann ist sie wieder draußen. Die Jungs aus unserem Team, die finden sie natürlich alle Klasse. Kannst du dir ja denken. Na, mir soll es egal sein, solange sie ihre Nase nicht in Dinge steckt, die sie nichts angehen.«
Das Essen kam, und sie ließen es sich schmecken. Durch die Fenster sah man die Menschen unter aufgespannten Regenschirmen geschäftig vorbei eilen. Hier drinnen saß man gemütlich. Tobias freute sich auf das Wochenende, denn Sylvia hatte ihm versprochen, die Zeit bei ihm zu verbringen. Das geschah nicht sehr oft, da ihr Beruf sie an den Wochenenden sehr in Anspruch nahm. Deshalb schätzte sie auch ihre Eigenständigkeit. Sie bewohnte eine kleine Wohnung in einer Edel-Apartmentanlage. Seinem Drängen, doch bei ihm in sein vornehmes Loft mit einzuziehen, war sie stets mit dem Hinweis auf ihren unruhigen Job ausgewichen. Sie waren jetzt bereits seit fünf Jahren zusammen. In dieser Zeit hatte Tobias bereits einige Male ans Heiraten gedacht. Sylvia war jedoch der Meinung, dass Heirat nur Sinn mache, wenn man eine Familie gründen wolle. Dafür sei die Zeit aber noch nicht reif. Insgeheim fragte er sich, ob die Zeit jemals reif dafür sein würde? Immerhin war sie auch schon neunundzwanzig und ihre biologische Uhr tickte vernehmlich.
Er wurde von der Bedienung, die höflich nachfragte, ob alles mit dem Essen in Ordnung sei, in seinen Gedankengängen unterbrochen. »Ja, danke!«, erwiderten sie beide wie aus einem Munde und mussten über ihren Einklang schmunzeln.
Nach dem Essen hatten sie noch Zeit für einen Espresso. Beim anschließenden Bezahlen fiel ihm der Reinigungszettel in seinem Portmonee ins Auge. Ja, richtig; er musste noch daran denken, dass er nachher seine Hemden aus der Reinigung holte, sonst hatte er für heute Abend zum Jackett kein passendes Oberhemd.
Er war ein Freund der guten Kleidung und konnte es nicht ausstehen, wenn die Besucher im Schauspielhaus häufig nicht anders gekleidet waren als würden sie in die Kneipe gehen - die meisten jedenfalls. Schauspiel und Dramaturgie waren Künste, die er auch in seinen Plädoyers brauchte, und er schaute sich dafür viel von den großen Schauspielern ab. Diesem hohen Kulturgut hatte man, seiner Meinung nach, als Zuschauer mit einer angemessenen Kleidung zu entsprechen.
Er zog sich ohnehin mit Vorliebe elegant an. Sylvia zeigte sich gern mit gut angezogenen Männern. Insofern kam ihr seine Neigung durchaus entgegen. Bei ihr in der Sportredaktion waren die meisten Leute völlig leger gekleidet. Schließlich
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