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Milchrahmstrudel

Milchrahmstrudel

Titel: Milchrahmstrudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler Jutta
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Beine auf den Boden gestellt. »Aber wie kommst du dann dazu …«
    Leni stand auf und setzte sich neben sie. »Mama! Hans wird schon lange wissen, wie wichtig Sprudel für dich ist. Glaubst du etwa, dass ihm auch nur das Geringste verborgen geblieben ist? Du kennst doch die Birkdorfer – von den Nachbarn in Erlenweiler ganz zu schweigen. Jede Bagatelle ist Hans Rot hinterbracht worden, und zwar mehrfach.«
    »Er hat sich aber nie was anmerken lassen«, murmelte Fanni.
    »Natürlich nicht«, sagte Leni. »Er wollte sein komfortables Leben so lange wie möglich beibehalten. Das heißt aber nicht, dass er nicht stündlich mit einem GAU gerechnet hat.«
    »Er hätte mit mir reden sollen«, beschwerte sich Fanni, ohne zu realisieren, dass wohl eher sie mit ihm hätte reden müssen.
    »Und was hätte das bewirkt?«, entgegnete Leni. »Dass der GAU auf der Stelle eingetreten wäre. Gerade das aber wollte er verhindern.«
    Fanni beugte sich nach vorn und barg das Gesicht in den Händen. Sie fühlte sich schuldig, schäbig, keinen Schuss Pulver wert.
    Mit Recht! Mit vollem Recht! Du hast Hans Rot von Anfang an belogen und betrogen! Hast ihm mehr als dreißig Jahre lang was vorgemacht! Und die Geschichte mit Sprudel setzt dem allem nun die Krone auf!
    Fanni ließ die Hände sinken und sah Leni an. »Ich werde noch heute mit ihm sprechen. Werde ihm die Wahrheit über dich und Leo sagen. Werde ihm sagen, dass euer Vater nicht Hans Rot heißt, sondern Volker Heimeran. Professor Dr. Volker Heimeran, der in den Siebzigern an der Nürnberger Universität lehrte – das tut er sogar heutzutage noch, oder?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Ich werde Hans aber auch sagen, dass ich Sprudel zwar seit Jahren liebe und schätze, ihn aber nie mit ihm betrogen habe.« Während Fanni sprach, merkte sie, wie in Lenis Augen ein seltsamer Ausdruck erschien.
    Eine Mischung aus Angst, Unglauben, Vorwurf?
    »Hältst du es für falsch, ihm die ganze Wahrheit zu sagen?«, fragte Fanni.
    Leni nickte vehement. »Überleg doch mal. Wie meistert Hans das Leben?«
    Darüber musste Fanni nicht lange nachdenken. »Er lenkt sich, so weit es geht, ab. Lieber hört er sich im Schützenverein ganze Abende lang dumme Witze an, als über Probleme nachzudenken. Was er in seinem Leben nicht brauchen kann, das verdrängt er.«
    »Richtig«, erwiderte Leni, »auf diese Weise hat er sich ein Dasein gebastelt, mit dem er zurechtkommt – hervorragend zurechtkommt.«
    Fanni nickte begreifend. »Wie könnte ich so rücksichtslos sein, Breschen hineinzuschlagen?«
    Leni nahm ihre Mutter in die Arme und lächelte sie warm an. »Wir mögen ihn doch, und wir schulden ihm viel. Und deshalb werden wir die Allerletzten sein, die ihm etwas, das er nicht sehen will, vor Augen halten.«
    Und so setzen sich Lug und Betrug in der Welt fort! In Birkenweiler nennt Leni ihren Ziehvater »Hans«, in Erlenweiler nennt sie ihn »Papa«. Und das alles nur, um seine zarte Seele zu schonen!
    »Mach dir keine Sorgen, Mami«, fuhr Leni fort. »Bei euren Nachbarn am Erlenweiler Ring ist Hans in besten Händen. Sie werden sich darin überbieten, ihn zu hätscheln. Frau Stuck wird ihm einen Platz an ihrem Tisch reservieren, Frau Weber wird für ihn die Wohnung sauber halten, und Frau Praml wird ihm die Wäsche machen.«
    Nein, dachte Fanni, so weit werden sie es wohl nicht treiben – jedenfalls nicht auf die Dauer –, aber sie werden sich um ihn kümmern, sie werden ihm zu beweisen versuchen, dass der Verlust, den er erlitten hat, verschwindend gering ist.
    Und sie werden einiges daran setzen, Ersatz für Fanni Rot, die Abtrünnige, zu finden! Eine nette, liebenswerte Frau werden sie für ihn aussuchen, die besser zu Hans Rot und nach Erlenweiler passt, als du es je getan hast!
    Auf einmal fühlte sich Fanni ungeheuer entspannt.
    »Du denkst also, dass mich am Erlenweiler Ring niemand vermissen wird – absolut niemand«, sagte sie zu Leni und erwartete ein Grinsen als Antwort.
    Aber Lenis Miene war ernst, als sie entgegnete: »Doch, einer wird dich schwer vermissen. Er wird untröstlich sein, wenn du nicht mehr da bist. Du solltest ihn, so oft es geht, besuchen.«
    Fanni sah ihre Tochter ratlos an. Wer in Gottes Namen sollte untröstlich sein?
    »Der alte Klein, Mama«, half Leni ihr auf die Sprünge. »Olga und Ivo wirst du auch fehlen. Offenbar bist du die Einzige, die sie für ihre Herkunft nicht mit Verachtung straft.«
    »Seltsam«, sagte Fanni nachdenklich, »dass ich

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