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Milchrahmstrudel

Milchrahmstrudel

Titel: Milchrahmstrudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler Jutta
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sie vergessen, wo Worte zu finden waren.
    Sie sah Sprudel an, der ihre Hände in die seinen nahm und sanft streichelte. Wozu Worte?
    Fannis Blick wanderte weiter zu Tante Luise, die soeben ihre Teetasse an den Mund führte. Nach einem kleinen schlürfenden Schluck stellte sie die Tasse zurück auf den Tisch und sagte missbilligend: »Baldriantee und kein Bröselchen Süßes dazu. Und der Korb mit Fannis leckerer Marillenmarmelade und den selbst gemachten Keksen steht noch immer unter der hässlichen Topfpflanze vor dem Aussegnungsraum.«
    »Der Korb!«, rief Fanni, und damit waren die Worte zurück.
    »Fanni«, bat Marco noch einmal, »du musst mir sagen, was sich im Aussegnungsraum zugetragen hat. Wir haben Roland Beckers Leiche in dem Sarg dort gefunden. Wir wissen, dass du im Kühlkatafalk gesteckt hast. Der Hausmeister ist verschwunden. Heimleiter Müller befindet sich angeblich auf Dienstreise. Was ist bloß geschehen, Fanni?«
    Erwin Hannos Doppelkinn wackelte zustimmend zu jeder Silbe, die Marco sagte.
    Da setzte Fanni sich zurecht, befreite ihre Linke aus Sprudels Händen, glättete den rosa-weißen Faltenrock und begann mit ihrem Bericht.

16
    Hartnäckig verlangte Sprudel von Fanni, sich aufs Sofa zu legen. Das Sofa, auf das er sie so beharrlich nötigte, war kein anderes als sein eigenes und befand sich im Wohnzimmer seines Hauses in Birkenweiler.
    Fanni wandte ein, dass sie erst zwei Stunden zuvor aus dem Bett im Obergeschoss gestiegen war, in dem sie die Nacht verbracht hatte.
    Doch Sprudel ließ nicht locker.
     
    Nachdem Fanni tags zuvor allen um den Esstisch in Luises Zimmer Versammelten berichtet hatte, was sie im Aussegnungsraum beobachtet hatte und was ihr daraufhin widerfahren war, hatte Sprudel darauf bestanden, sie zur Untersuchung ins Krankenhaus zu bringen.
    Marco hatte ihr noch zwei, drei kurze Fragen gestellt und war dann mit entschlossenem Gesicht davongestürmt.
    Erwin Hanno war ihm mit erbittert wabbelndem Doppelkinn gefolgt.
    Im Krankenhaus hatte man Fanni abgeklopft und abgehorcht, hatte ihren Blutdruck gemessen und ihren Puls gefühlt. Man hatte in ihre Pupillen geleuchtet und ihr Blut abgenommen. Letztendlich aber war man zu dem Ergebnis gekommen, dass ihr nichts Nennenswertes fehlte, und hatte ihr geraten, nach Hause zu gehen und sich zu schonen.
    Daraufhin war Sprudel, ohne lange zu fragen, mit ihr zu seinem Haus nach Birkenweiler gefahren. Dort hatte er sein Bett für sie frisch bezogen, hatte einen von seinen Schlafanzügen für sie bereitgelegt und hatte sie – nachdem Fanni im Oberteil steckte, das als Nachtgewand durchaus für sie ausreichte – genötigt, sich hinzulegen.
    Er hatte ihr zu trinken gebracht und sich dann auf die Bettkante gesetzt. Ab und zu hatten sie ein paar Worte gewechselt. Gegen Mitternacht hatte Sprudel gesagt, er wolle sich im Gästezimmer schlafen legen. Aber als Fanni am Morgen erwachte, hatte er schon wieder an ihrem Bett gesessen.
     
    Jetzt war es kurz nach elf am Vormittag des 1. Juli, einem unscheinbaren Donnerstag.
    Sprudel wollte sich eben in dem Polstersessel gegenüber dem Sofa niederlassen, auf das sich Fanni fügsam gelegt hatte, als es an der Haustür klingelte.
    Er eilte hinaus und kam kurz darauf mit Leni und einem ziemlich schwer wirkenden Koffer zurück.
    Leni eilte auf ihre Mutter zu und umarmte sie. »Ich hab dir ein paar Sachen eingepackt, Kleidung, Schuhe, Toilettenartikel, die Lesebrille – alles, was du halt brauchen wirst.«
    »Danke«, sagte Fanni, die ein hellgraues Oberhemd von Sprudel trug, das sie mit einem Geschenkband (aus seiner Krimskramsbox) um die Taille in Form gebracht hatte. Sie hatte sich einfach nicht dazu überwinden können, sich ein weiteres Mal Luises rosa Geschmacksverfehlungen anzuziehen. »Aber ich wollte heute Nachmittag sowieso zum Erlenweiler Ring rüberfahren. Ich muss ja mit Hans reden, kann ihn nicht so im Ungewissen lassen.«
    Leni setzte sich in den Sessel, den Sprudel für sie zurechtrückte, nahm das Glas, das er ihr reichte, und trank nachdenklich einen Schluck Wasser. Dann sagte sie zögernd: »Papa … Hans hat doch längst damit gerechnet, dass es eines Tages so kommen wird. Und gestern ist ihm irgendwie klar geworden, dass es nun so weit ist.«
    »Das hat er dir gesagt?«, fragte Fanni erstaunt.
    Leni schüttelte den Kopf. »Kein Wort hat er gesagt. Er war gar nicht zu Hause, als ich vor einer Stunde ankam, ist wohl wie üblich zur Arbeit gegangen.«
    Fanni hatte sich aufgerichtet und die

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