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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler
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berichtete er. »Doch keiner hat mir je erklärt, dass sie alle aus der väterlichen Linie stammten. Ich habe wohl auch nie viel nachgefragt. Schon als kleines Kind sagte man mir, dass meine Großeltern den Krieg nicht überlebt hätten, damit gab ich mich zufrieden.«
    Sprudel machte Halt und atmete ein paarmal tief durch. Dann bat er Fanni zum x-ten Mal, doch ihn den Rucksack tragen zu lassen. Sie lehnte zum x-ten Mal ab, drängte Sprudel, weiterzuerzählen.
    »Das ist schon alles. Meine Mutter hat nie ein Wort davon gesagt, dass sie aus einer niederbayerischen Familie stammte. Warum, darüber kann ich nur Vermutungen anstellen.«
    Sprudel legte für einen Moment die Hand auf Fannis Schulter und drückte sie sanft. »Ein Liebesdrama, nehme ich an: Tochter aus gutbürgerlichem Haus verliebt sich in Fremdling aus ominösem Bergdorf. Weil ihre Eltern strikt gegen diese Verbindung sind, brennt sie bei Nacht und Nebel mit ihrem Auserwählten durch und bricht unwiderruflich alle Brücken hinter sich ab.«
    Das letzte Drittel des Weges – den Steilanstieg – legten sie schweigend zurück.
    Fanni sinnierte darüber, wie das Schicksal Sprudel über diverse Einsatzorte in Oberbayern als Dienststellenleiter nach Straubing geführt hatte, wo er fast ein Jahrzehnt lebte, ohne zu ahnen, wie nah der Heimatort seiner Mutter lag.
    Als sie auf wenige Meter an die Hütte herangekommen waren, begann Fanni nervös an den Trägern ihres Rucksacks zu zupfen. Was wenn Sprudel das Hütterl als alberne Bruchbude bezeichnete, so wie es Hans Rot tun würde, bekäme er die Eremitage je zu Gesicht?
    Für einen Rückzug war es nun zu spät. Hinter einer ausladenden Buche tauchte bereits das graue Schieferdach der Hütte auf.
    »Das Dach und die Wände von dem Blockhäusl sind stabil, das können S’ mir glauben, Frau Rot«, hatte der Forstamtsrat Fanni versichert. »Die Schieferplatten hat einer meiner königlich-bayerischen Vorgänger extra anliefern lassen. Die rühren sich keinen Millimeter vom Fleck und lassen kein Tröpferl Regen durch. Von den Bohlen, aus denen das Häusl gebaut wurde, ist keine einzige angefault. Sie sind derart kunstgerecht zusammengefügt, dass nicht mal bei Sturm ein Luftzug reinkommt. Die Bausubstanz ist eins a, wirklich. Nur innen, da hapert’s.«
    Fanni hatte ihr Bestes getan, damit es drinnen nicht mehr haperte.
    Sie angelte den langen Schlüssel aus ihrer Hosentasche und schloss auf. Die Eingangstür aus schweren, grob zusammengefügten Holzplanken schwang nach außen und gab – zwischen einem gemauerten Kamin und der östlichen Hüttenwand – einen schmalen Eingangsbereich frei. Fanni winkte Sprudel hinein. Er trat auf den Fleckerlteppich, der ein Stückchen in die Wohnstube ragte, blieb dort stehen und blickte in das einzige Zimmer der Eremitage.
    Rechts beim Fenster standen sich zwei cremefarbene Polstersessel gegenüber. Auf dem niedrigen Tisch zwischen ihnen prangte eine silberne Kaffeekanne samt Zuckerdose und Milchkännchen. Fanni fragte sich, ob Sprudel das antike Service wiedererkannte. Er hatte es vor Jahren auf einem Mosaiktischchen in Fanni Esszimmer bewundert.
    Links vom Eingang – in der Nordostecke – lag eine Matratze auf einem Holzrahmen. Darüber war eine Patchworkdecke gebreitet, und darauf häuften sich Kissen in kunterbunter Vielfalt. Schräg vis-à-vis der Liegestatt – an der Westwand der Hütte – stand ein Küchenherd, der sich mit Holz befeuern ließ. Die Kochplatten waren auf Hochglanz gewienert. Holzscheiter stapelten sich in einem Weidenkorb in der Ecke. Daneben steckten Reisigbündel, zum Anheizen vorgesehen, in einem hohen Kupferkessel, in dem sich das Muster der Patchworkdecke spiegelte.
    Nahe am Herd stand ein funkelndes dreibeiniges Stahlgestell, das eine ausladende blaue Emailschüssel trug. Die Gerätschaft musste als Spüle dienen. Darunter harrte ein leerer Emailkrug. Wo er gefüllt werden konnte, war nicht schwer zu erraten, denn draußen, bei der Buche, befand sich ein kanariengelb lackierter Pumpschwengel.
    An sämtlichen Wänden des Hütterls zogen sich Borde entlang, beige und blaue. Auf dem Fußboden der Wohnstube lagen – wie zufällig fallen gelassen – vier Schaffelle, drei helle und ein dunkles. Der Boden selbst bestand aus breiten Holzdielen und glänzte wie Samt.
    Sprudel starrte in dieses Zimmer, das so viel Frieden, so viel Balance ausstrahlte, und seufzte.
    Fanni entwischte ein leises Schniefen.
    Sprudel wandte sich ihr zu.
    »Du findest es

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