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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler
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abscheulich«, sagte Fanni.
    Sprudel zog sie in seine Arme und flüsterte in ihr Ohr: »Es ist wunderschön. Es ist liebenswert, geschmackvoll, sympathisch. Es ist zauberhaft. Es ist wie du, Fanni.«
    Fanni begann zu strahlen. Sie entschlüpfte Sprudel geschwind und begann an seinem Jackenärmel zu zerren. »Komm doch rein.«
    »Warte«, sagte Sprudel, kniete sich hin und öffnete seine Schnürsenkel. Auf Strümpfen betrat er die Stube. Aufatmend tat es ihm Fanni gleich. Sie selbst hatte den Boden, den sie mit so viel Mühe per Hand geschliffen und dann viele Male mit einem speziellen Öl getränkt hatte, noch nie in Schuhen betreten.
    In der Ofenecke hingen zwei Paar dicke Wollsocken. Fanni reichte ihm die größeren.
    »Du hast ein wahres Wunder vollbracht«, staunte Sprudel. »Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie der Raum ausgesehen hat, als du ihn zum ersten Mal betreten hast.«
    »Schmutzig, heruntergekommen, abstoßend«, gab Fanni zu.
    »Wie hast du die Möbel hergeschafft?«, fragte Sprudel.
    »Der Herd stand schon da«, antwortete Fanni, »verdreckt, aber intakt. Die Holzliege gab es auch – und die Borde.«
    Sie zeigte aus dem einzigen Fenster. »Auf dem Wirtschaftsweg kann man bis zu der großen Föhre dort drüben fahren. So habe ich die Matratze, den Tisch und die Sessel herschaffen können.«
    Sprudel wanderte in der Stube umher. Er berührte dies, strich über das.
    »Leider konnte ich nicht alles so renovieren, wie es sich gehört«, sagte Fanni. »Die Borde zum Beispiel waren viel zu grob gehauen, als dass ich sie einfach hätte abschleifen können. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie mit Stoff zu beziehen, der sich halbwegs abstauben lässt.«
    Sprudel fuhr mit der Hand über ein blaues Bord, dessen Bezug wie imprägniert wirkte, und warf einen schnellen Blick auf die Titel der Bücher, die dort aufgereiht standen.
    »Die Wände«, fuhr Fanni fort, »waren das größte Problem. Sämtliche Bohlen steckten voller Nägel, Reste von alten Kalenderblättern klebten daran, Namen waren eingeritzt, und in der Nähe des Herdes war alles rußgeschwärzt. Am liebsten hätte ich alle vier Wände mit hellem Holz verkleidet. Aber Hammer und Säge gehören nicht gerade zu den Werkzeugen, mit denen ich gut umgehen kann. Beißzangen ebenso wenig. Trotzdem habe ich es geschafft, die Nägel herauszuziehen. Und dann bin ich den Wänden mit Ätznatron zu Leibe gerückt – eine ganze Woche lang. Anschließend habe ich alles mit Bienenwachs versiegelt.«
    »Unglaublich.« Sprudel fuhr mit den Fingerspitzen über eine der Bohlen. »Fühlt sich an wie Seide und«, er hatte die Hand an seine Nase geführt, »riecht wie Honig.«
    »Mitte November«, berichtete Fanni, »hatte ich alles fertig. Ich war richtig stolz auf mein Werk, deshalb bin ich so oft es ging hergekommen. Und so hat sich ergeben, dass meine Jogging-Schwindelei auf einmal Wahrheit wurde. Ich habe mir nämlich angewöhnt, den Wagen an der Weggabelung unten abzustellen und den Rest des Aufstiegs durch den Wald zu laufen – kam meiner Kondition sehr zugute.«
    »Du hast mich doch schon im letzten Jahr auf unseren Wanderungen zum Rachel und zum Falkenstein ständig abgehängt«, schmunzelte Sprudel.
    Fanni nickte grinsend und deutete auf einen der Sessel.
    Sprudel setzte sich. Er rückte hart an die linke Armlehne, sodass Fanni neben ihm noch Platz gehabt hätte. Sie blinzelte zwei Augenblicke der Versuchung weg und ließ sich in den zweiten Sessel gegenüber fallen.
    Sprudel seufzte. »Ich nehme an, wir haben zu tun, Miss Marple«, sagte er resigniert, »Denkarbeit vermutlich.«
    Fanni nickte. Im nächsten Moment sprang sie wieder auf. Während sie ihren Rucksack öffnete, rief sie Sprudel zu: »Niemand sollte mit leerem Magen Denkarbeit leisten.«
    Sie förderte eine Thermoskanne und eine Plastikbox zutage und stellte beides auf den Tisch. »Ein wärmendes Feuerchen würde den Denkprozess zusätzlich fördern.«
    Während Fanni Teller und Tassen von einem beigefarbenen Bord herunterholte, heizte Sprudel den Holzofen an.

6
    Sie saßen sich gegenüber – vertraut, verbündet, vereint.
    »Wer?«, sagte Fanni.
    »Warum?«, sagte Sprudel.
    »So funktioniert es nicht«, sagten beide gleichzeitig.
    »Beginnen wir ganz am Anfang«, schlug Sprudel vor. »Was ist passiert?«
    »Pfarrer Winzig ist erschlagen worden«, antwortete Fanni trocken, »vor dem offenen Grab des Bürgermeisters, nach dessen Begräbnisfeier.«
    »Weshalb«, überlegte Sprudel, »kam

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