Milchschaum
als schwarz.
Fanni lächelte breiter. Ja, so würde er sprechen, Orahwak, der Oberdruide von World of Warcraft.
Hans Rot fuchtelte mit seiner Gabel vor ihrer Nase. »He, hallo, hier spielt die Musik – allerdings keine lauschige. Du hättest wirklich die Klappe halten sollen. Hab ich dir nicht des Langen und Breiten erklärt, warum es besser ist, nicht damit hausieren zu gehen, wer den toten Pfarrer gefunden hat?«
»Ich bin damit nicht hausieren …«, begann Fanni. Hans unterbrach sie. »Der halbe Landkreis fragt sich, ob du Winzig nur gefunden oder auch erschlagen hast.«
Schlechte Karten, schlechtes Renommee, schlechter Stand! Deshalb hat er gar so schlechte Laune!
Fanni schüttelte den Kopf und begann die Teller abzuräumen. »Möchtest du ein Mon Chérie zum Nachtisch, Hans?«
5
Wie angekündigt traf Sprudel am Donnerstag, den 6. März, in Birkenweiler ein. Der strenge Frost, der vor kaum zwei Wochen Pfarrer Winzigs Blut an die Kante des Bürgermeistergrabs gefrieren ließ, hatte inzwischen seine Kräfte aufgebraucht. Das Thermometer zeigte an diesem Morgen zehn Grad plus.
Sprudel rief gegen zwei Uhr mittags bei Fanni zu Hause an. »Darf ich dich nach Birkenweiler einladen? Kleine Führung durch mein Anwesen mit anschließendem Kaffeeklatsch im Wintergarten gefällig?«
»Wär nett«, erwiderte Fanni. »Aber ich hätte den Fuß noch nicht hinter deinen Gartenzaun gesetzt, schon würden sich sämtliche Birkdorfer ihren Reim darauf machen.«
Sprudel seufzte. »Also wie immer konspirative Treffen tief drin im Böhmerwald.«
»Im Bayerischen«, berichtigte Fanni.
»Soviel ich gehört habe, liegt in den Hochlagen noch Schnee«, gab Sprudel zu bedenken.
»Ich hätte da so eine Idee«, sagte Fanni.
Sprudel stöhnte.
»Lieber Sprudel«, fuhr Fanni ungerührt fort, »schau doch mal aus einem Fenster deines Anwesens, einem, das dir Aussicht nach Westen gestattet. Was kannst du sehen?«
»Einen lang gestreckten bewaldeten Hügel mit ein paar Felszacken oben drauf«, kam die prompte Antwort.
»Prima«, lobte Fanni. »Am Fuß dieses Hügels führt ein mit einem Sperrschild gekennzeichneter Forstweg entlang. Wir treffen uns dort, wo sich dieser Weg zum zweiten Mal gabelt.«
»Fanni, wenn unsere Autos gemeinsam von einer gesperrten Straße abgeschleppt werden sollten, ist für die Birkdorfer der Fall klar.«
»Von deinem Haus aus«, entgegnete Fanni, »ist es zu Fuß gar nicht weit. Mein Auto steht fast täglich an dieser Stelle – mit einem Berechtigungsschein an der Windschutzscheibe.«
Sprudel gab sich geschlagen. »Ich mach mich sofort auf den Weg, und du erklärst mir dann, was dich täglich dorthin treibt.«
Fanni versprach es ihm.
Es war purer Zufall gewesen, dass Fanni die Eremitage – wie sie den Ort, an den sie Sprudel führen wollte, anfangs getauft hatte – für sich entdeckte. Schon bald schien ihr jedoch der Begriff »Eremitage« zu aufgeblasen, und sie begann ihr Walddomizil nur noch »das Hütterl« zu nennen.
Mitte der Achtziger, nachdem zuerst Fannis Vater und bald darauf ihre Mutter gestorben waren, hatte Fanni deren Eigentumswohnung (die Mieteinnahmen gewährten ihr seither eine gewisse Unabhängigkeit von Hans Rot) und ein Waldstück bei Birkenweiler geerbt, das (Fanni wusste nicht, wann und wieso) in den Besitz von ihrem Vater gelangt war.
Mehr als ein Jahrzehnt lang hatte Fanni gar nicht richtig realisiert, dass ihr ein Fichtenwald gehörte, bis – zwei Jahre war das nun her – ein Anruf von der Forstbehörde kam.
Fannis Wäldchen läge, sagte der Amtsrat, in den Forstwald eingebettet wie eine Erbse. Mit großzügiger finanzieller Unterstützung der EU sollte dieser Forstwald nun durch Wirtschaftswege erschlossen werden. Einer dieser Wege würde Fannis Wäldchen im unteren Teil queren, an dessen nördlicher Grenze entlang bergwärts führen und ganz oben bei den Felsen ein kleines Segment herausschneiden. Er bat Fanni um ihre Zustimmung für die Baumaßnahme und bot ihr an, den gesamten Wegverlauf mit ihr abzuschreiten.
Dabei entdeckte Fanni das Hütterl.
Forstarbeiter hatten das kleine Holzhäuschen in längst vergangenen Tagen zum Aufwärmen benutzt, hatten ihre Brotzeit darin verzehrt oder hatten sich hineingeflüchtet, wenn ein Gewitter aufzog. Die Hütte war nun seit Langem verwaist, weil die Forstbehörde heutzutage mobile Unterkünfte für die Arbeiter bereitstellte, die nur ein paar Schritte entfernt auf sie warteten. Sie lag ganz oben im Forstwald, auf
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