Milchschaum
wie viele es noch werden, du musst bei jedem unserer Kinder zur Taufe erscheinen, weil sie quasi deine Labormäuse sind.«
Leni hatte es ihm versprochen.
Als Fanni die Haustür öffnete, um ihre Tochter zu begrüßen, sah sie, dass Leni die hintere Tür ihres Wagens aufhielt. Fanni ging hinaus und wollte ihr mit dem Gepäck helfen, das sie auf dem Rücksitz verstaut haben musste.
Sie kam nicht weit. Max, ihr Enkel, sprang aus dem Wagen, machte einen Satz über Lenis Rucksack und landete auf Fannis Fuß.
»Hallo, Oma.«
»Max! Aua.«
»Ich habe Max mitgebracht«, sagte Leni.
»Das seh ich. Was ist denn passiert in Klein-Rohrheim?«
In Fannis Bauch breitete sich das Kribbeln aus, das immer dann entstand, wenn sie Nachricht aus Klein-Rohrheim erhielt, wo ihre Tochter Vera mit Mann und Kindern wohnte. Obwohl seitdem schon einige Zeit vergangen war, steckte Fanni der Tag noch in den Knochen, an dem die ganze Familie und das halbe Dorf bis in die Nacht nach Max gesucht hatten, der mittags zum letzten Mal gesichtet worden war.
»Nichts ist passiert, Mama. Du kannst wieder runterkommen von der Feuerwehrleiter.«
Das Gör registriert jede noch so kleine Regung, dachte Fanni ertappt.
Sie nahm Lenis Rucksack, schnappte sich Max und zerrte beides ins Haus.
»Oma, machst du mir Kirschpfannkuchen?«
»Erst, wenn du mir erzählt hast, wie du hierherkommst.«
»In Lenis Golf«, antwortete Max treuherzig.
Fanni hörte Leni im Treppenhaus kichern. Als sie zu Fanni und Max in die Küche kam, sagte sie: »Veras zweitbeste Freundin heiratet morgen in Nürnberg. Vera, Bernhard und die Kinder sind mittags angekommen. Ich habe ihnen fürs Wochenende meine Wohnung überlassen. Als Max herausgekriegt hat, dass ich nach Erlenweiler fahre, wollte er unbedingt mitkommen. Vera sagt, er wollte sowieso nie mit nach Nürnberg: in der Kirche stillsitzen, im Restaurant Manieren zeigen, Dutzenden Erwachsenen die Hand schütteln – echt ätzend.«
Fanni nickte. Sie konnte Max gut verstehen.
Und Minna?
»Wollte Minna nicht auch lieber …«
»Minna hat mir ›feiger Verräter‹ nachgebrüllt«, sagte Max. »Aber ich hau ihr keine rein dafür.«
»Max findet, dass Minna gestraft genug ist«, erklärte Leni. »Sie muss zusammen mit zwei anderen sechsjährigen Mädchen morgen Blumen streuen.«
»Mama steckt Minna in ein rosarotes Kleid mit Rüschen«, sagte Max. Seine Stimme klang, als hätte Vera beschlossen, ihre Tochter zu ersäufen.
»Minna sieht herzallerliebst darin aus«, entgegnete Leni.
»Machst du mir jetzt Kirschpfannkuchen, Oma?«, fragte Max. »Ich lass auch einen übrig und bring ihn Minna mit – am Sonntag, wenn ich mit Leni zurückfahre.«
»Für Minna backen wir am Sonntag frische«, sagte Fanni. »Aber weder du noch Minna werdet welche kriegen, wenn wir nicht schleunigst zum Klein-Hof laufen und dort Milch und Eier holen.«
»Geil«, rief Max. Fanni zuckte zusammen, und Leni prustete. »Ich geh mit Bene in den Stall, der lässt mich bestimmt die Melkmaschine einschalten.«
»Falls gerade Melkzeit ist«, dämpfte Fanni Mäxchens Begeisterung. Sie sah auf die Uhr. »Kurz vor sechs, das könnte sogar hinkommen.«
Sie nahm die Milchkanne aus der Speisekammer und stellte sie auf das Tischchen im Flur. Dann lief sie in den Keller, um einen leeren Eierkarton zu holen. Max umklammerte die Klinke an der Haustür und hüpfte auf und ab. »Jetzt komm schon, Oma.«
»Warte, Max, ich muss den Karton zuerst mit Eierschalen füllen. Du weißt doch, die Hühner sollen einen Teil der Schalen wieder aufpicken. Sie brauchen Kalk, damit sie ordentliche Eier legen.«
»Weiß ich, Oma, aber beeil dich, weil sonst vergeht die Melkzeit wieder.«
Fanni eilte auf die Terrasse, wo sie Eierschalen zum Trocknen ausgelegt hatte.
»Endlich«, seufzte Max, als sie ins Treppenhaus zurückkam und in ihre Gartenschuhe schlüpfte.
Max rannte ihr voraus über die Wiese zum Klein-Hof hinauf.
Als Fanni beim Hof ankam, traf sie vor dem Wohnhaus auf die junge Bäuerin. Olga wies lächelnd mit dem Daumen in Richtung Stalltür, hinter der Bene, Olgas Sohn Ivo und Max soeben verschwanden.
Olga selbst war auf dem Weg zur Milchkammer, das konnte Fanni an ihrer Kleidung erkennen. Sie trug ein altes Herrenhemd und ein bunt gemustertes Kopftuch, Latzhosen und Turnschuhe.
»Nett von Bene«, sagte Fanni, »dass er Max mitmachen lässt.«
Olga zog den Knoten ihres Kopftuchs straffer. »Ja, mit Kindern, da kann er es gut. Ist doch selbst
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