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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler
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verschaffen.
    »Neulich«, sagte sie, »auf der Beerdigung von unserem Bürgermeister, da hab ich keinen von euch gesehen. Sie nicht, Bauer, den Bene nicht und die Olga auch nicht.«
    »Wenn ein Zankl eingegraben wird, dann sprengt ihm ein Klein kein Weihwasser auf den Sargdeckel«, antwortete der Bauer, spuckte auf einen der Findlinge neben der Stalltür und meinte damit so offensichtlich den Sarg des Bürgermeisters, dass Fanni ein leises Keuchen entwich.
    Bauer Klein sah sie an. Fanni glotzte entgeistert zurück. Da sagte er: »Schauen Sie, Frau Fanni, die Zankls und die Kleins, die sind halt wie Hund und Katz.«
    »Aber warum denn?«, wollte Fanni wissen.
    »Lange Geschichte«, brummte der Bauer, »und lange her.«
    Fanni sah ihn auffordernd an.
    »Dreht sich um den Wald in Birkenweiler.«
    Fanni wartete.
    »Sie kennen doch den Wald, der sich von Birkenweiler aus den Hügelkamm raufzieht«, fuhr Klein zögernd fort.
    Fanni nickte. Sie kannte ihn nur zu gut.
    »Als vormals mein Ururgroßvater den Hof gehabt hat, hat der ganze Wald uns gehört. Fast der ganze. Ein kleines Stück hat gefehlt. Jetzt ist mir doch glatt entfallen, wer der Eigner von dem fehlenden Stückerl war.«
    Fanni hätte ihm sagen können, dass es vermutlich ihr Ururgroßvater gewesen war, aber sie hielt den Mund. Für das, was der Bauer erzählen wollte, würde es wohl keine Rolle spielen.
    Zu diesem Ergebnis musste soeben auch Bauer Klein gekommen sein, denn er sprach bereits weiter: »Ist eh gleich. Unsern Wald jedenfalls hat der Zankl-Altvordere meinem Ururgroßvater auf eine ganz abgefeimte Tour abgegaunert, wie, das kann man nicht so einfach erklären, da hier zwischen Tür und Angel, aber wenn Sie mal Zeit haben, Frau Fanni, dann kommen Sie nach dem Abendbrot auf ein Glaserl Zwetschgenbrand zu mir in die Stube, und ich setz Ihnen ganz genau auseinander, wie es sich zugetragen hat.« Klein verschnaufte.
    Er ist es nicht gewohnt, so viel zu reden, dachte Fanni. Gerät außer Atem, weil er vergisst, zwischendrin mal einen Punkt zu machen, um durchzuatmen.
    Klein hatte sich erholt und fuhr fort: »Ja, und kaum ist das ganze Gehölz auf den Zankl überschrieben gewesen, da hat es der Lump an den Staatsforst verscherbelt, komplett, mitsamt der Hütte, die mein Urgroßvater eigenhändig gebaut hat, und mitsamt dem Brunnen, den mein Urgroßvater eigenhändig geschlagen hat.«
    Fanni fiel ein, was der Forstamtsrat über die Schieferplatten gesagt hatte, mit denen das Hüttendach gedeckt war.
    »Ich kenne das Hütterl«, sagte sie, »es hat ein Schieferdach.«
    »Zu Ururgroßvaters Zeiten war das Dach von der Hütte noch mit Holzschindeln gedeckt«, erklärte ihr Bauer Klein. »Aber so ein Heini vom Forst hat sich eingebildet, Holzschindeln fangen schon Feuer, wenn bloß die Sonne drauf scheint, und deswegen hat es nicht lang gedauert, da sind die Schindeln weggerissen und durch Schieferplatten ersetzen worden.«
    Fanni spielte mit dem Gedanken, Bauer Klein zu erzählen, dass das Hütterl seit einem guten halben Jahr ihr gehörte.
    Ich glaube, es würde ihn freuen, dachte sie.
    Würde es! Und im nächsten Augenblick würde er es in alle Welt hinausposaunen! »Frau Fanni hat sich das Hütterl von meinem Ururgroßvater hergerichtet.« Damit wäre das Nest dann so gut wie ausgeräuchert!
    Bauer Klein schnitt eine Grimasse, und Fanni musste lachen. Er sah plötzlich aus wie einer der geschlagenen Legionäre in Leos alten Asterixheften, aus denen sich Max so gerne vorlesen ließ.
    »Wenn ich gewusst hätte, was ich durchzustehen hab, während der Zankl die letzte Ehre erwiesen kriegt«, sagte der Bauer, »dann … ich glaub, dann hätt es mich auch an sein Grab getrieben.«
    Fanni hielt die Luft an. Hatte Klein den Pfarrer vor der Sakristei abgepasst, als die Birkdorfer Bürger am Grab ihres Bürgermeisters vorbeidefilierten? Hatten die beiden Streit gehabt? Hatte Klein …?
    »Drei Zähne hat er mir gezogen«, beklagte sich Klein indessen.
    »Wer?«, fragte Fanni perplex.
    »Na, der Zahnarzt halt. Der in Altfleck. Ein ums andere Mal hat er mir was ins Zahnfleisch einspritzen müssen, weil er den Eckzahn ewig nicht rausgekriegt hat.« Klein hielt sich die Backe, als hätte ihn Fanni geohrfeigt. »Die ganze rechte Seite ist nachher noch stundenlang taub gewesen. Ich hab gesabbert wie ein alter Gaul …«
    Fanni musste grinsen und senkte schnell den Kopf, damit es der Bauer nicht sah.
    Klein hat ein Alibi, jubelte sie innerlich, ein hervorragendes,

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