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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler
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nachprüfbares Alibi. Mit so einem Alibi kannst du den alten Klein nicht in die Pfanne hauen, Hans Rot!
    »Da hat Sie der Bene wohl chauffieren müssen?«, fragte sie in der Hoffnung, auch gleich noch Benes Alibi abhaken zu können. Wer weiß, dachte sie, wozu sich die Leute von Erlenweiler versteigen, wenn sie den Mörder ihres Pfarrers hinter Schloss und Riegel sehen wollen.
    »Die Olga hat mich gefahren«, antwortete Klein, »die Olga. Die hat ja den ganzen Mist eingefädelt. Sockel-Sanierung nennen die das. Bin ich ein Hühnerstall?«
    »Und der Ivo ist mitgekommen und hat seinem Großvater Mut zugesprochen«, machte Fanni weiter, denn vermutlich, so sagte sie sich, würde sie keine zweite Gelegenheit bekommen, herauszufinden, wo alle Kleins gesteckt hatten, während Pfarrer Winzig erschlagen worden war.
    »Wo denken Sie hin, Frau Fanni«, ereiferte sich der Bauer, »das hätt ich nicht wollen, dass der Bub mitkriegt, wie sich sein Großvater vor einem winzigen Zangerl fürchtet.«
    Klein starrte einige Sekunden zur Milchkammer hinüber, dann sagte er nachdrücklich: »Ein Glück war’s, dass der Bub mit dem Bene daheimgeblieben ist. Weil kaum sind wir fort gewesen, die Olga und ich, da ist bei der Resi das Kalben losgegangen. Der Bene hat ihr eine Zeit lang zugeschaut, hat gesehen, dass sie sich immer wieder verkrampft, ohne dass sich was bewegt, und hat nicht gewusst, was er tun soll. Der Bene hat der Resi so lang zugeschaut, bis der Bub, der Ivo, keine Ruhe mehr gegeben hat und wissen wollte, ob was nicht stimmt bei der Resi. Da hat ihm der Bene erklärt, dass die Resi zu wenig Druck auf dem Kolben hat und deshalb das Kalb nicht rauspressen kann.« Der Bauer seufzte.
    Fanni nickte verstehend. Bene wusste sehr genau, wie Maschinen funktionierten. Er hatte genug Motoren, genug Getriebe auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, um damit so vertraut zu sein wie Pfarrer Winzig mit seinem Tabernakel. Es musste Bene große Anstrengungen gekostet haben, von der Arbeitsweise eines Kolbenmotors auf den Geburtsvorgang zu schließen. Doch irgendwie hatte er die Parallele gefunden. Aber damit war sein Intellekt erschöpft gewesen.
    »Der Bub hat den Tierarzt angerufen«, fuhr Bauer Klein fort. »War höchste Zeit, sagt der Viehdoktor. Eine Viertelstunde später, und er hätt nichts mehr tun können. Fürs Stierkalb nicht und für die Resi auch nicht.«
    »Oma, Oma, ich hab die Kühe gefüttert und gemolken!«, schrie Max und schoss auf Fanni zu. »Morgen darf ich wieder zur Stallarbeit kommen.«
    Ivo folgte ihm gemächlich. Fanni betrachtete Olgas Sohn. Er war sieben, ein wenig jünger als Max.
    An zählbaren Jahren.
    Ja, an zählbaren Jahren. Wie viele unzählbare er wohl in dieser Zeitspanne zusätzlich gealtert war?, fragte sich Fanni, verschrien als Bankert, versetzt in ein fremdes Land zu einem fremden Vater, einem Vater, dem er das Denken abnehmen musste.
    Fanni nahm Max an der Hand, nickte Ivo lächelnd zu, sagte: »Gut Nacht, Bauer«, denn es dunkelte bereits, und wandte sich zum Gehen.
    »Brauchen Sie jetzt doch keine Milch und keine Eier?«, fragte Ivo und deutete auf die Milchkanne, deren Henkel Fanni in der Hand hielt, und dann auf den Eierkarton, der unter ihrem Arm klemmte.
    Bauer Klein klatschte sich auf die Schenkel. »Also, Frau Fanni, jetzt wären Sie glatt ohne die Milch …« Er lachte spitzbübisch. »Hab ich Sie so durcheinandergebracht?«
    Fanni lachte zurück. »Komplett, Bauer, komplett durcheinander.« Sie wandte sich der Milchkammer zu.
    »Und dass Sie mir nicht wieder heimlich der Olga das Milchgeld zustecken«, rief ihr Bauer Klein nach. »Milch und Eier sind für Frau Fanni umsonst, ihr Leben lang. Merk dir das, Ivo«, sagte er zu seinem Enkel. »Weil wenn die Frau Fanni nicht gewesen wäre, täte dein Großvater im Kittchen sitzen.«

9
    Fanni musste dringend telefonieren – mit Sprudel. Sie musste ihm sagen, dass Max mit Leni nach Erlenweiler gekommen war und dass sie sich deshalb nicht treffen konnten, nicht einmal für ein Stündchen.
    Aber wie sollte sie Sprudel anrufen, während Max auf der Anrichte hockte und ihre Hände, die Pfannkuchenteig quirlten, nicht aus den Augen ließ. »In Klein-Rohrheim sagen wir Eierkuchen dazu«, erklärte Max. »Logo! Ohne Eier würde bloß Pampe draus – oder, Oma?«
    »Richtig, Max, aber wir hier in Erlenweiler liegen auch nicht falsch, wenn wir eure Eierkuchen ›Pfannkuchen‹ nennen.« Sie ließ eine Portion Teig in die Bratpfanne

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