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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler
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fragte sich, wie dieser Brand wohl entstanden war. Seit Mitternacht fiel feuchter Schnee, den die Wolken aus dem Osten als dichten Schleier abluden, und nässte alles ein.
    Von der Hauptstraße her tönte jetzt der Klang der Martinshörner herüber. FFW Birkdorf, FFW Metten, vermutete Fanni.
    Ein paar Minuten später heulte ein dritter Feuerwehrwagen vorbei.
    Deggendorf, dachte Fanni, die haben den längsten Anfahrtsweg.
    »Ein schwerer Brand«, flüsterte sie.
    Als ihr Mann morgens um halb acht aus dem Haus ging, beschloss Fanni, sich noch mal ein Viertelstündchen hinzulegen, weil sie sich so müde und zerschlagen fühlte.
    Ein Viertelstündchen bloß, nahm sie sich vor.
    Um neun wachte sie wieder auf.
    Sie glotzte ungläubig auf das Zifferblatt des Weckers auf ihrem Nachttisch.
    Sie sind weg, die eineinhalb Stunden, vorbei, verstrichen, verronnen – und basta !
    »Hausarbeit im Zeitraffer«, murmelte Fanni, »Mittagessen aus der Kühltruhe.«
    In der Zufahrt liegen fünfzehn Zentimeter Schnee – schwer wie Beton!
    »Von mir aus«, muckte Fanni auf, »darüber kann sich Hans hermachen – nach Büroschluss.«
    »Klar mach ich das, Fannilein«, sagte Hans Rot beim Mittagessen gut gelaunt, »der Pappschnee ist doch viel zu schwer für meine kleine Maus.«
    Fanni sah ihn skeptisch an. Was erheiterte ihn so?
    Nach dem nächsten Schluck Weißbier, den er nahm, erfuhr sie es.
    »Heute Nacht hat das Saller-Anwesen gebrannt«, sagte er, »das hat er jetzt davon, der Erbschleicher.«
    Fanni biss die Zähne zusammen und krallte die Fingernägel in ihre Handflächen.
    Sprudel ist tot! Sprudel ist tot! Sprudel …
    Reiß dich zusammen, Fanni Rot!
    »Die Scheune soll gebrannt haben wie Zunder«, freute sich Hans. »Drei Löschzüge mussten ausrücken.«
    »Ist jemand verletzt?«, presste Fanni heraus.
    Ihr Mann schüttelte den Kopf. »Das Wohnhaus steht noch. Annas Bankert hätte weiterschlafen können. Aber vermutlich hat ihn das Löschwasser aus dem Bett geschwemmt.«
    Fanni atmete ganz langsam aus.
    Sprudel lebt!
    Lass dir bloß nichts anmerken!
    Sie konnte es kaum erwarten, bis Hans endlich sein Glas geleert, sich – recht vergnügt – von ihr verabschiedet hatte und dann unmelodisch pfeifend in seinen Wagen gestiegen war.
    Kaum außer Kontrolle ihres Mannes, tat Fanni zum zweiten Mal innerhalb von knapp drei Wochen etwas, was sie sich noch nie zuvor erlaubt hatte.
    Sie ließ die benutzten Teller auf dem Esstisch stehen, würdigte die Pfanne mit dem Rest der Pilzsoße keines Blickes, verschwendete nicht einen einzigen Gedanken an den Knödel, der noch in seinem Topf im Wasserbad dümpelte.
    Fanni griff nach irgendeiner Jacke, schlüpfte in irgendwelche Schuhe, schoss in die Garage und ließ ihren Wagen an.
    Ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen Fahrweise beschleunigte sie auf dem Erlenweiler Ring bis auf vierzig Stundenkilometer. Sie bremste an der Einbiegung zur Hauptstraße scharf ab, doch nur um sofort wieder Gas zu geben und einem Linienbus der Firma Artmeier die Vorfahrt zu nehmen.
    Als sie – nach rekordverdächtigen fünf Minuten – bei ihrem Waldstück ankam, musste sie feststellen, dass der Wirtschaftsweg nicht geräumt war.
    Widerwillig gestand sich Fanni ein, dass sie im Schnee stecken bleiben würde, falls sie versuchte, mit dem Auto zur Hütte zu fahren.
    Also zu Fuß.
    Fanni nahm sich nicht die Zeit, den Wagen auf dem Schotterstreifen neben der Forststraße zu parken, sondern ließ ihn einfach stehen und rannte zu ihrem Trampelpfad. Der nasse Schnee hatte das Steiglein in eine Rutschbahn verwandelt.
    Verbissen arbeitete sie sich durch den Matsch. Nach ungefähr fünfzig Metern veränderte sich der Sumpf unter ihren Füßen. Die Schneedecke zeigte sich auf einmal weniger nass und schmierig. Fannis Füße sanken zwar noch immer ein, aber sie fanden Halt.
    Und dann entdeckte sie die Fußspuren.
    Sprudel! Bitte lass es Sprudels Spuren sein, bettelte Fanni und wusste selbst nicht, ob sie die große Fichte am Fuß des Steilhangs darum bat oder den Schneehut, der einen kleinen Felsen krönte, oder die diffusen Sonnenstrahlen, die sich plötzlich durch die Baumwipfel stahlen.
    Als Fanni die ersten Schritte im Steilhang tat, rutschte sie weg. Sie griff taumelnd nach tief hängenden Zweigen, nach Felsbrocken, nach Heidelbeerbüschen und Brombeerranken. So hangelte sie sich Stück für Stück hinauf.
    Auf einmal lag ein umgeknickter Baumstamm quer in ihrer Aufstiegsroute. Fanni krallte die Finger in seine

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