Milchschaum
Rinde und kroch auf allen vieren über ihn hinweg.
Zehn Meter noch bis zur Oberkante des Steilhanges.
Fünf.
Zwei.
Dort, wo der Steilhang ins Plateau abknickte, hatte jemand ein Loch in den Schneematsch gegraben, sodass ein dicker Wurzelstrang sichtbar wurde.
Sprudel?
Fanni packte die Wurzel mit beiden Händen und zog sich hinauf.
Dann rannte sie übers Plateau auf die Hütte zu.
Sprudel!
Die Tür flog auf, und Fanni stürzte sich in Sprudels Arme.
Sie standen eine Weile eng aneinandergeschmiegt auf dem Fleckerlteppich im Eingang. Fannis Atem ging heftig. Sprudel hielt sie und lachte leise in sich hinein.
Was?
Er freut sich, dass seine Scheune gebrannt hat. Hättest du dich sonst in seine Arme gestürzt?
Sprudel schälte Fanni aus ihrer Jacke, half ihr, die Schuhe abzustreifen, und führte sie zu einem der Polstersessel, den, in dem er bisher immer gesessen hatte.
Fanni kuschelte sich an Sprudels Brust.
»Nein, mir wurde kein Härchen versengt«, versicherte er ihr, als Fanni genug Atem geschöpft hatte, um fragen zu können. »Eigentlich ist nur der Stadel abgebrannt. Das Haus, wenn auch etwas verrußt, steht noch. Den größten Schaden hat das Löschwasser angerichtet, aber in ein, zwei Tagen ist zumindest der Anbau wieder bewohnbar.«
Fanni richtete sich auf. »Wo willst du inzwischen …?«
Sprudel lächelte verlegen.
»Natürlich«, rief Fanni. »Du kannst hier wohnen, so lange du willst.«
Sprudel nickte. »Es ist nicht nur wegen des Wasserschadens. Halb Birkdorf pilgert seit heute Vormittag zum Saller-Anwesen, um die Brandstelle zu besichtigen und darüber zu diskutieren, wer hier wohl gezündelt hat.«
»Soll das heißen, dass jemand absichtlich …?« Fanni fing wieder an zu keuchen.
Sprudel nickte und streichelte dabei beruhigend ihre Schulter. »Der Sachverständige von der Feuerwehr spricht von Brandstiftung.«
Fanni drückte sich noch enger an ihn.
Jetzt wird er gleich behaupten, dass er in großer Gefahr schwebt, dass ihm sämtliche Birkdorfer ans Leder wollen, dass man Profikiller – Verzeihung, Profibrandstifter auf ihn gehetzt hat, nur damit du noch näher ranrückst.
Sprudel hat es nicht nötig, mit gezinkten Karten zu spielen, lehnte sich Fanni gegen die Gedankenstimme auf.
Das tat er auch nicht.
»Der Brandexperte sagt, dass in der Scheune heute Nacht mehrere Kerzen gebrannt haben müssen«, berichtete Sprudel. »Sie waren so unter den schrägen Balken positioniert, dass das spröde Holz Feuer fangen konnte.«
Fanni schüttelte den Kopf. »Wie sollten ein paar Kerzen dicke Balken in Brand setzen?«
»Die Balken in der Saller-Scheune waren rissig, geradezu bröckelig an der Oberfläche, und sie waren trocken wie ein Reisigbesen«, erklärte Sprudel. »Späne und Spreißel standen heraus, die müssen lichterloh aufgeflackert sein, nachdem die Kerzen angezündet waren. So konnte sich das Feuer in die Balken fressen. Danach hat es nicht mehr lang gedauert, bis der ganze Stadel in Flammen aufging.«
Fanni starrte den Herd an, in dem es krachte und prasselte.
Wie beim Anschüren, dachte sie, eine winzige Flamme setzt die Späne in Brand, und die bringen ein dickes Holzscheit zum Brennen.
»Kerzen«, überlegte sie daraufhin laut. »Was ist denn das für ein Brandstifter, der Feuer legt, indem er ein paar Kerzen anzündet?«
Sprudel bettete Fannis Kopf in seine Halsbeuge. »Der Brandexperte hat etwas entdeckt, das uns einen Hinweis auf den Täter geben könnte. Er hat Wachsreste auf dem erdigen Fußboden der Scheune gefunden. Unser Fachmann meint, die Kerzen müssen schwarz gewesen sein.«
Fanni rückte ein Stückchen von Sprudel ab und richtete sich auf.
Sprudel seufzte gottergeben.
»Satanisten?«, fragte Fanni.
Sprudel nickte. »Ja, die Vermutung, dass Teufelsanbeter in meiner Scheune eine schwarze Messe gefeiert haben, drängt sich wohl auf. Wahrscheinlich haben sie zu spät gemerkt, dass einer der Balken Feuer gefangen hat, und sind schleunigst getürmt.«
Fanni stand auf, legte beide Hände ins Kreuz und bog den Rücken durch.
Sprudel verschränkte seine vereinsamten Arme vor der Brust.
Fanni machte ein paar Schritte in Richtung Sofa, kehrte zurück, blieb vor Sprudel stehen und schüttelte den Kopf. »Satanisten in Birkdorf! Davon wüsste die gesamte Gemeinde.«
»Die Theorie lautet folgendermaßen«, klärte Sprudel sie auf. »Eine Gruppe von Satanisten aus der Stadt hat von dem leer stehenden Saller-Anwesen erfahren und wollte es für ihre Zwecke
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