Milchschaum
geht’s, keine Spur mehr von Grippe. Spätestens um zwei bin ich beim Hütterl«, antwortete Fanni energisch.
Sprudel seufzte, und Fanni hätte in diesem Moment nicht sagen können, ob aus Erleichterung oder aus Resignation. Sie sollte es gleich erfahren.
»Fanni«, belehrte Sprudel sie, »diese Nacht hatte es drei Grad unter null, und heute regnet es. Aus dem Fußweg durch den Wald ist eine Bobbahn geworden, und auf dem Wirtschaftsweg kann man Meisterschaften im Eisschnelllauf austragen.«
Fanni versprach ihm, sich mit Grödeln und Skistöcken auszurüsten. Sprudel seufzte tief.
Er erwartete Fanni an der Plateaukante über dem Steilabhang. Als sie bei ihm ankam, nahm er sie bei den Schultern, hielt sie auf Armeslänge von sich und studierte ihr Gesicht.
Fannis Wangen glänzten tiefrot, aber das kam bloß von der Anstrengung des Aufstiegs. Sie hatte sich neben dem unbegehbar vereisten Trampelpfad auf verkrustetem Altschnee hocharbeiten müssen und war bei jedem Schritt bis auf den Waldboden durchgesackt. Sprudels Trittspuren hatte sie kaum nützen können, die meisten waren mit Regen- und Schmelzwasser vollgelaufen.
Sprudel nahm sie an der Hand, führte sie über das Plateau zur Hütte, öffnete hastig und schob sie hinein. Kaum hatte er die Tür hinter sich zugemacht, schnappte Fanni nach Luft und riss ihre Jacke auf.
»Finnische Sauna, Sprudel?«
Er lachte verlegen.
Kaffee hatte er auch schon gekocht. Und Zimtnudeln hatte er bereitgestellt. Wo kamen die denn her? Sie sahen lecker aus. So luftigen Hefeteig brachte eigentlich nur Olga zustande.
Eine Tasse Kaffee und eine halbe Zimtnudel lang musste Fanni sämtliche Symptome aufzählen, die sie in den Tagen zuvor verspürt hatte, und bei jedem einzelnen musste sie schwören, dass es verschwunden war. Erst danach ließ sich Sprudel herbei, ihr von einem Telefongespräch mit Marco Liebig zu berichten, das er mittags geführt hatte.
»Marco fahndet intensiv nach dem Mann in der Lederjacke«, berichtete er. »Nachdem ich ihm von unserem Ausflug nach Cham erzählt hatte, meinte er, es könne sicher auch nicht schaden, diesen Gerd Holler zu vernehmen. Obwohl der Gedanke, dass Holler seinen damaligen Freund nach so vielen Jahren zur Verantwortung ziehen wollte, ziemlich abwegig erscheint.«
Selbst Fanni kam dieser Gedanke von Minute zu Minute unsinniger vor. Wir haben, überlegte sie, uns ja eigentlich erst die halbe Vergangenheit Winzigs angesehen. Wie verhielt er sich im Priesterseminar in Regensburg, wie als Kaplan in Zwiesel?
Vorbildlich, sozial, hilfsbereit – wetten? Nachdem er sich wegen Zankls Tod vom Saulus zum Paulus gewandelt hatte.
»… sprüht ja schon Funken«, hörte sie Sprudel plötzlich sagen. Er stand auf und regelte die Luftzufuhr für das Herdfeuer herunter.
»Apropos Funken«, begann Fanni.
Sprudel gab einen Knurrlaut von sich. »Was den Brand meiner Scheune betrifft, hapert es mit Ergebnissen genauso wie im Fall Winzig. Satanisten, sagen die Ermittler, sind auf fünfzig Kilometer im Umkreis keine zu finden. Schwarze Messen, Satansverehrung, Black Metal und alles, was sonst noch zu diesem Kult gehört, scheint ziemlich aus der Mode gekommen zu sein.«
»Bei uns auf dem Land wissen die Leute halt, dass man den Teufel nicht extra zu rufen braucht«, entgegnete Fanni trocken.
»Wir werden vermutlich nie erfahren«, fuhr Sprudel fort, »wer meine Scheune auf dem Gewissen hat. Morgen früh rücken ein Baggerlader und ein Lastwagen der Firma Stiegelmeier an. Bis zum Abend werden wohl all die verkohlten Bretter und Balken beseitigt sein. Übrig bleibt nur ein schwarzer Fleck. Der Juniorchef der Firma hat mich gefragt, ob er Humus draufkippen soll, damit was anwächst.«
Sprudel beugte sich vor und schaute Fanni forschend an. »Was meinst du dazu?«
»Willst du das Anwesen denn behalten?«, fragte Fanni geradeheraus.
Sprudel lächelte verschämt. »Für einen Pendler wie mich, der regelmäßig zwischen Ligurien und Niederbayern hin- und herreist, wäre ein Domizil in Birkenweiler gar nicht schlecht.«
Fanni nickte, wandte aber ein: »Müsstest du den Hof nicht rundum renovieren?«
»Die Brand-, besser gesagt die Wasserschäden an den Außenmauern dürfte die Wohngebäude-Versicherung übernehmen, weil alle Beiträge bezahlt sind. Im Anbau lässt sich, für ein paar Wochen jedenfalls, ganz bequem wohnen, sodass ich die restlichen Zimmer des Hauses nach und nach selbst modernisieren könnte.«
»Und das würde dir Spaß machen?«,
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