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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler
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sie am Donnerstagmorgen, es war der 13. März, die Augen aufmachte, regnete es in Strömen. Dieser Regen wird den nassen Schnee in einen Sumpf verwandeln, dachte Fanni.
    Sie stand auf, schlüpfte in ihren Morgenmantel und richtete das Frühstück für Hans Rot. Nachdem er das Haus verlassen hatte, starrte sie eine Weile aus dem Schlafzimmerfenster, dann legte sie sich wieder ins Bett, zog sich die Decke ans Kinn und blieb noch ein Stündchen liegen. Erst gegen halb neun stand sie wieder auf.
    Bis zehn beschäftigte sie sich mit Hausarbeit. Aber auf einmal verlangte es sie nach frischer Luft. Sie beschloss, zum Klein-Hof hinaufzugehen, um sich mit Kartoffeln zu bevorraten. Leni aß so gern Schupfnudeln, Maultaschen, alles, was sich aus Kartoffelteig zubereiten ließ. Wenn sie am Wochenende kam, wollte Fanni sie mit einem dieser Gerichte überraschen.
    Sie zog einen alten Anorak an, stülpte sich die Kapuze über den Kopf, schlüpfte in Gummistiefel und patschte über die Wiese.
    Schon von Weitem hörte sie den alten Klein belfern: »Du schickst mir den Ivo nicht nach Birkdorf zu der Nachtigall. Die soll herkommen, wenn sie was braucht. Wir liefern nicht frei Haus. An den Singvogel, den raffgierigen, schon gar nicht. Wenn sie auf unserm Stadelboden in der Hinterlassenschaft von meiner Alten herumstöbern will, dann ist ihr der Weg auch nicht zu weit.«
    Als der Bauer Fanni bemerkte, verzog sich sein Mund, der sich während der Schimpftirade zu einem mürrischen Viereck verformt hatte, zu einem Lächeln. »Ja, die Frau Fanni. Kartoffeln? Ja freilich. Hätten Sie doch antelefoniert, der Ivo hätt Ihnen ja ein Säckchen voll gebracht. Aber kommen Sie rein, Frau Fanni, rein in die Stube, damit Sie mir nicht nass werden, bis die Olga Ihre Kartoffeln herrichtet.«
    Fanni trat durch die Tür zur Wohnküche und blieb knapp dahinter stehen. Einerseits weil sie keine nassen, lehmigen Tapser auf dem Fußboden hinterlassen wollte, andererseits weil der Weg durch etliche Kartons blockiert war. Der Bauer stieg über die Barrikade und deutete, während er zur Kredenz schlurfte, mit dem Daumen auf die Kartons.
    »Die Olga hat das da aufgebaut – das Weib hat einen Ordnungsfimmel.«
    »Ausmisten hat noch in keinem Haus geschadet«, meinte Fanni.
    Der alte Klein nickte. »Ich sag eh nix. Und höchste Zeit ist es auch, dass der Krempel von meiner Alten aus der Schlafstube kommt. Zehn Jahre ist es schon her …«
    Er bückte sich, schloss eines der beiden unteren Türchen der Kredenz auf und langte hinein.
    »Hat die Caritas eine Altkleidersammlung angekündigt?«, fragte Fanni.
    »Wie kommen Sie jetzt auf die Caritas?«, wunderte sich Klein. Der Groschen fiel, bevor Fanni antworten konnte. »Ah wo, in den Schachteln sind keine Klamotten, die hat der Bene längst weggebracht. Da drin ist lauter Zeug, von dem die Olga sagt: ›Überflüssig, aber trotzdem zu schad zum Wegwerfen.‹ Die Gebetbücher von meiner Alten sind da drin, die Heiligenbilder, die Rosenkränze, die Wachsstöckel, die Wetterkerzen. Kommt alles auf den Stadelboden. Fünf Kisten stehen längst oben. Die Olga kramt ja ständig irgendwo herum.«
    Der Bauer ächzte, als er sich mit einer Flasche und zwei Schnapsgläsern in der Hand wieder aufrichtete. »Sie müssen ein Gläschen Selbstgebrannten mit mir trinken, Frau Fanni. Bei dem Sauwetter braucht man was, das dem Katarrh den Schneid nimmt.«
    »Wetterkerzen«, murmelte Fanni.
    Klein schenkte ein, reichte ihr ein volles Glas, prostete ihr zu und sagte: »Das war halt so Brauch früher. Meine Mutter selig hat immer beim ersten Donnerschlag eine schwarze Kerze angezündet, und dann haben wir uns alle an den Tisch gesetzt und gebetet. Gewitter waren gefährlich. Oft hat der Blitz in einen Heustadel eingeschlagen, und dann war meistens nix mehr zu retten, das ganze Gehöft ist abgebrannt. Bei Gewitter ist die Angst umgegangen. Kein Wunder, dass die Weiber …«
    Wetterkerzen waren per definitionem schwarz! Mit schwarzen Kerzen hatten sich die Bauersleut seinerzeit vor Blitzschlag schützen wollen. Klein besaß noch einen ganzen Karton voll davon.
    Fanni verschluckte sich an Bauer Kleins Selbstgebranntem. Sie hustete und japste, Tränen rollten ihr über die Wangen. Klein rückte näher und klopfte ihr so sanft er es vermochte auf den Rücken. Fanni taumelte einen Schritt vorwärts.
    »Er gerät gern ein wenig beißend, der Selbstgebrannte«, sagte er.
    Kurz nach Mittag rief Sprudel an. »Wie geht’s dir, Fanni?«
    »Gut

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