Milchstraße - Geschichten von der großen Liebe (German Edition)
macht Bing.
Eine Stunde später begegnen wir uns noch einmal. Er hat ganz leuchtende Augen. Wir unterhalten uns kurz über das Wetter und den Hund. Danach ziehe ich etwas verwirrt los, ohne zu wissen, wer er ist und wo er wohnt.
Er erzählt einer Freundin von unserer Begegnung. Sie erkennt mich in seiner Beschreibung und gibt ihm meine Telefonnummer. Am nächsten Tag ruft er an. “Toll, dass du anrufst“, freue ich mich. Wir verabreden uns und treffen uns einige Male. Witzig ist, dass ich Eigenschaften seiner zukünftigen Frau habe. Und am Wegrand sitze, als er vorbei kommt.
Wir bleiben zusammen, bekommen zwei reizende blonde Töchter und wandern aus nach La Palma.
La Palma hilft uns immer wieder, unsere Beziehung zu überprüfen. Bevor wir hierher ziehen machen wir mehrfach Urlaub auf der Insel. Und jedes Mal kommen wir weiter miteinander. Das ist bis zum heutigen Tag so. Wir probieren ständig alle möglichen Dinge aus. Etwa unsere eigene Wanderfirma, die wir ohne die Beteiligung großer Reiseunternehmen aufbauen. Diese gemeinsamen Projekte machen es aus, dass wir ein „Powerpaar“ sind. Dazu gehört natürlich viel Disziplin, auch im Loslassen. Es funktioniert nun seit vierzehn Jahren und ich bin glücklich.
Frieda
Vom Traum zur Wirklichkeit
Die Vision ist da – mal weniger, mal mehr: Ich bin achtundzwanzig und immer unterwegs, in den letzten acht Jahren zehnmal umgezogen. Ich wünsche mir einen Partner fürs Leben, eine Familie mit Kindern und Tieren, mit denen ich in einem Haus am Meer lebe. Wir bewirten eine kleine Pension und meine Freunde kommen von überall her.
Mein Leben sieht anders aus: Ich arbeite bei einer Zeitung und wohne in einem möblierten Einzimmerapartment im hektischen Stadtzentrum von Athen. Mein Alltag besteht aus dem Weg zum Büro, der Arbeit am Computer und am Abend Kurse und Termine. Zuhause bin ich meist nur um zu schlafen. An den Wochenenden genieße ich es, ans Meer zu fahren.
Eines Tages reist meine Mutter in eine von zwei Brüdern betriebene Familienpension ins Dörfchen Archaia Epidaurus, knapp zwei Stunden von Athen entfernt. Ich besuche sie dort.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln dahin zu kommen ist umständlich und Demetris, einer der beiden Brüder, bietet an, mich mitzunehmen. Treffpunkt ist die Einfahrt eines großen Krankenhauses. Der Vater der Familie, Papa Giannis, ist vor knapp einer Woche schwer erkrankt und liegt hier in der Intensivstation. Mutter Eleni und Demetris fahren jeden Morgen zum Vater und abends zurück ins Dorf, damit Demetris die Reisegruppe im Hotel betreuen kann.
Endlich ist es soweit: Feierabend! Ich freue mich auf ein entspanntes Wochenende am Meer, Abwechslung zum Athener Alltag. Ein Höllenverkehr auf der Straße. Ich beeile mich, pünktlich am Krankenhaus zu sein.
Demetris, seine Mutter und sein Onkel warten schon auf mich. Ihre Stimmung ist gedrückt. Demetris Vater liegt seit ein paar Tagen im Koma. Eleni hat Tränen in den Augen. Von Onkel Mitsos und Demetris kommen wenige Worte mit barscher Stimme.
Ich verhalte mich möglichst unauffällig. Ich teile mir mit Eleni die Rückbank. Der Wagen schlängelt sich durch die überfüllten Straßen.
Mitsos und Eleni steigen bei der Wohnung des Onkels am Athener Stadtrand aus. Demetris sagt „Setz dich zu mir nach vorne.“ Nun wage ich einen längeren Blick auf Demetris. Seine Hände zittern. Er startet den Wagen. Wir schweigen. Was soll man in einer solchen Situation auch sagen?
Als wir zu sprechen beginnen, geht es um Demetris Vater Nikolas und die Situation der Familie. Wir reden leise und ruhig. Langsam lassen wir den Tumult der Großstadt hinter uns. Demetris erzählt von seinem Hotel, ich über meinen Redaktionsjob. So fahren wir in die endlose Dämmerung des Sommers. Später führen Serpentinen in eine verzauberte Landschaft. Hinter dem Berg geht ein knallroter Vollmond auf. Die Welt wird still und wir auch. Nur aus den Lautsprechern dringt melancholische Musik. Demetris singt manchmal mit. Der Mond steht nun groß und weiß über uns. Es ist wie im Bilderbuch. Schließlich erreichen wir das kleine Hotel. Ich bedanke mich bei Demetris. Dann geht jeder seiner Wege.
Was für eine Fahrt! Was war das für eine Stimmung! Eine stille Harmonie. Doch da ist mehr in mir. Ich bin mir sicher: Etwas ganz Großes ist geboren. Ist das Liebe? Empfindet Demetris wie ich? Oder sieht er mich eher als ein nettes junges Mädel? Immerhin ist er knapp zwanzig Jahre älter als ich.
Während des
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