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Miles Flint 01 - Die Verschollenen

Miles Flint 01 - Die Verschollenen

Titel: Miles Flint 01 - Die Verschollenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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sich, womit dieser Augenblick zu Ende war. Jamal erhob sich seufzend, streckte sich und hoffte, dass Dylani seine Erleichterung nicht spüren konnte.
    Sie rieb den Rücken ihres Sohnes mit der Hand, um ihn zu besänftigen. »Du hast darauf bestanden, allein mit dem Anwalt zu sprechen. Demnach musst du irgendetwas wissen.«
    Ihre Miene war unverändert, ebenso wie der gleichmäßige Rhythmus, mit dem sich ihre Hand auf Ennis’ Rücken bewegte, und doch deutete irgendetwas in ihrer Stimme einen tief vergrabenen Ärger an.
    Ärger und Argwohn.
    Jamal seufzte noch einmal. Zu mehr als einer Halbwahrheit fehlte ihm die Courage. »Ich habe ihn gefragt, ob er uns helfen würde, einen Verschwindedienst zu finden.«
    Ihre Augen weiteten sich. Diese Regung hatte er schon so oft gesehen, aus Leidenschaft, aus Zorn, aber nie ausgelöst durch eine solche Form von Entsetzen – oder war es Furcht? Jamal hatte Dylani nur einmal zuvor furchtsam erlebt, und das war vor ein paar Tagen geschehen, als sie geglaubt hatte, sie hätte Ennis für immer verloren.
    »Alles zurücklassen?«, fragte sie.
    »Wenn es nötig ist«, antwortete Jamal.
    »Ist das nicht so, als würden wir zugeben, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben?«
    »Nein«, widersprach Jamal.
    »Aber wir müssen nicht verschwinden. Sie haben die falsche Familie erwischt. Sie können Ennis nicht haben, weil wir nicht die Leute sind, die sie suchen.«
    »Das ist nicht wie das Recht der Menschen«, sagte Jamal. »Wir müssen beweisen, dass wir die falschen Leute sind, und niemand wird unseren Fall übernehmen.«
    »Ich dachte, die Polizei würde das tun«, sagte sie. »Ich dachte, sie sorgen dafür, dass die Wygnin die richtigen Kinder bekommen.«
    »Ja«, murmelte Jamal, »sie sorgen dafür, dass sie die richtigen Kinder bekommen.«
    Dylanis Hand hörte endlich auf, Ennis’ Rücken zu streicheln, und ihre langen Finger legten sich um seinen Brustkorb. Sein Atem ging gleichmäßig, schläfrig, und der Daumen war ihm aus dem Mund gerutscht.
    »So wie du das sagst, hört es sich an, als hätte es etwas Schlimmes zu bedeuten«, sagte sie.
    Er nickte. »Wenn die Wygnin die Polizei davon überzeugen, dass Ennis das richtige Kind ist, können wir ihnen das Gegenteil nicht beweisen, was immer wir auch sagen oder tun.«
    »Aber …«
    »Kein ›Aber‹, Dylani. Einfache Realität.«
    »Hat dir das der Anwalt erklärt?«
    Er hatte es bestätigt, aber Jamal hatte das schon vorher gewusst. »Ja. Wenn das passiert, werden die Wygnin Ennis mitnehmen.«
    »Der Anwalt hat sich bestimmt geirrt. Ich denke, wir sollten zu jemand anderem gehen. Ich denke, er hat gelogen, als er behauptet hat, niemand würde den Fall übernehmen. Ich denke …«
    »Er hat nicht gelogen, Dylani. Er hat gesagt, niemand sei heute noch bereit, die Wygnin zu konfrontieren. Und warum sollte auch jemand bereit dazu sein, wenn er dabei etwas so unglaublich Kostbares verlieren könnte?«
    Dieses Mal sah sie Ennis an. Ihre Hand bewegte sich mit jedem seiner tiefen Atemzüge auf und ab. »Werden wir ihn verlieren, Jamal?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er.
    »Aber du denkst, dass es passiert.«
    »Wir haben einfach keine Möglichkeiten mehr, Dylani.«
    »Was ist mit den Verschwindediensten?«, fragte sie.
    »Der Anwalt wollte mir keinen empfehlen. Er hat gesagt, als gerichtszugelassener Anwalt könne er das nicht tun.«
    »Dann müssen wir allein einen finden.«
    »Die sind teuer«, sagte Jamal.
    »Es geht um Ennis«, gab sie zurück. »Wir werden tun, was wir können.«
    Jamal nickte. »Vielleicht können wir es uns leisten, wenn wir nur einen von uns fortschicken.«
    Ihr Mund öffnete sich ein wenig. »Du meinst, Ennis allein wegschicken?«
    »Ja«, bestätigte Jamal.
    »Aber dann verlieren wir ihn.«
    »Ja.«
    Sie blinzelte, blickte zu Boden und holte tief Luft, alles Manöver, die ihr allein dazu dienten, nicht in Tränen auszubrechen.
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum du allein mit dem Anwalt über den Verschwindedienst sprechen wolltest«, sagte sie einen Moment später.
    »Ich hatte gehofft, er könnte es ermöglichen, dass du zusammen mit Ennis verschwinden kannst.«
    »Ich?«
    Jamal nickte.
    »Und was hättest du dann getan?«
    Er begegnete ihrem Blick. Gleich, was auch passierte, sie würden nie mehr dieselben sein. Ihre Beziehung würde sich verändern; ihre Gefühle gegenüber der Welt, gegenüber dem Partner, gegenüber Ennis würden sich verändern.
    »Ich wäre geblieben und hätte die Schulden

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