Miles Flint 01 - Die Verschollenen
Dach gelegt.
Ekaterina kämpfte schweigend. DeRicci schien die einzige andere Person im Wagen zu sein, die bei Bewusstsein war, und die war noch dabei, sich zurechtzufinden. Sie würde nichts weiter tun, solange sie dachte, alle anderen wären bewusstlos.
Aber es fiel Ekaterina schwer, nicht laut zu atmen. Mit ihrem wunden, blutenden Arm griff sie nach dem Schließmechanismus der Gurte, fand und öffnete ihn.
Die Gurte zischten leise, als sie zurückgerollt wurden, und Ekaterina wäre beinahe auf den bewusstlosen Wachmann gestürzt.
»Wer ist das? Mrs. Palmer?« Der Detective wartete nicht auf eine Antwort; stattdessen fing sie an, mit ihren eigenen Gurten zu kämpfen.
An der Tür gab es keinen Türgriff. Das hatte Ekaterina vergessen, und so verschwendete sie kostbare Sekunden mit dem Versuch, den Wagen auf konventionelle Art zu verlassen, ehe sie sich an das Loch erinnerte, das sie ins Heck des Vehikels gebrannt hatte.
Das Loch war nicht gerade groß, aber das war ihr egal. Sie schob ihren verletzten Arm hindurch, räumte den Weg für ihren Körper frei und folgte. Heiße, scharfe Kunststoffkanten zerkratzten ihr Gesicht, schnitten ihr in den Körper. Und hinter sich hörte sie DeRicci sagen, sie solle sich nicht bewegen.
DeRicci konnte ihre eigene Pistole unmöglich bereits gezogen haben … oder? Und selbst wenn, würde das nichts ändern. Die Kunststofftrennscheibe war immer noch oben, und alle Steuerinstrumente waren außer Funktion. DeRicci konnte die Scheibe nur noch mit Gewaltanwendung herunterschieben.
Kühle Luft strich über Ekaterinas Gesicht, und sie saugte sie gierig in ihre Lungen, dankbar für ihre Frische. Dann erinnerte sie sich daran, wo sie war. In der Armstrongkuppel gab es keine frische Luft, keinen kühlen Wind. Wenn sie die Luft für kühl und frisch hielt, dann nur im Vergleich zu der Luft innerhalb des Wagens, die heiß und stickig war. Sie hoffte, dass sich in dem Gestank keine giftigen Gase verbargen. So sehr sie auch fliehen wollte, sie wollte niemanden ernsthaft verletzten.
Ekaterina legte die Hände – von denen eine nach wie vor die Laserpistole hielt – auf die Außenseite des Wagens und wuchtete sich heraus, aber auf Hüfthöhe blieb sie stecken. Sie hatte das Loch nicht groß genug gemacht.
»Bin ich hier die Einzige, die wach ist?« DeRiccis Stimme klang gedämpft und weit entfernt. Sie saß offenbar noch immer auf dem Fahrersitz fest.
Ekaterina war eingeklemmt. Wie sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich nicht befreien. Schweiß lief über ihre Stirn. Oder war es Blut? Sie war nicht sicher.
Alles, was sie wusste, war, dass sie mehr Kraft brauchte, und sie konnte nicht mehr aufbringen, solange ihre Finger die Pistole umklammerten. Sie trat mit den Füßen und traf auf die Kunststoffbarriere. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen die Scheibe, um sich weiterzuschieben.
Zentimeterweise quetschten sich ihre Hüften durch die Öffnung.
Ekaterina trat noch einmal zu, und dieses Mal kam sie frei, und ihr Oberkörper fiel heraus und krachte gegen das Heck des Wagens.
Das Geräusch hallte in dem Bogengewölbe wider, das von diesen merkwürdigen Bauwerken gebildet wurde. Sogar ihr Atem hörte sich unnatürlich laut an.
Ekaterina stemmte sich weiter hinaus und fiel auf die Straße, deren glatter, synthetischer Belag erstaunlich hart war. Der Wagen bebte, als DeRicci versuchte, sich zu befreien.
Ekaterina erhob sich. Sie fühlte sich benommen. Der Gestank, der Unfall – irgendetwas wirkte sich auf ihren Gleichgewichtssinn aus. Aber sie hatte immer noch ihre Tasche (wie hatte sie es nur geschafft, die mitzunehmen?) und die Pistole.
Beides hielt sie fest umklammert, während sie sich umblickte. Dunkelheit und große Gebäude mit brückenartigen Überbauten hinter ihr. Licht und eine breite Straße voller Leute vor ihr. Zu beiden Seiten noch mehr Dunkelheit mit noch schwärzeren Schatten. Die Schatten mochten Türen verbergen, Fenster oder eine andere Straße.
Oder Personen.
Ekaterina wusste es nicht. Aber sie hatte eine weitere Chance erhalten. Alles, was sie tun nun musste, war, eine Richtung auszuwählen und zu hoffen, dass es die richtige war.
15
D as Anwaltsbüro lag von Jamals Hotel aus gesehen auf der anderen Seite von Armstrong. Der Anwalt hatte angeboten, zu Jamal zu kommen, aber der hatte abgelehnt. Jamal konnte einen Mann nicht anhand seiner Kleider beurteilen; er musste seine alltägliche Umgebung sehen. Nicht, dass ihm das alles verraten
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