Miles Flint 02 - Die Lautlosen
»Ich kümmere mich darum. Sollte er da sein, melde ich mich wieder. Anderenfalls meldest du dich bei mir.«
»Ich weiß nicht, wie ich das machen soll, wenn deine Links abgeschaltet sind«, gab er zu bedenken.
DeRicci verzog das Gesicht. »Ich werde sie nicht wieder einschalten. Hier herrscht das reinste Chaos.«
Flint konnte es sich vage vorstellen, und er fragte sich, wann sie erfahren hatten, dass die Leiche nicht Jane Zweig war. War DeRicci schon zum Hauptteil ihrer Ermittlungen vorgestoßen? Vermutlich, und vermutlich würde man ihr die Verantwortung für die Verwechslung geben.
»Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte sie. »Ich sehe jede Stunde nach, ob du mir eine Nachricht hinterlassen hast, und du informierst mich, wie ich Kontakt zu dir aufnehmen kann.«
Flint lächelte ihr zu. »Ich lasse meine Links immer an.«
»Du bist viel kontaktfreudiger als ich«, sagte sie und trennte die Verbindung.
Flints Lächeln verblasste. Er wünschte, es wäre wahr und er wäre kontaktfreudiger. Aber das war er nicht, und im Moment hatte seine Kontaktfreudigkeit noch weiter abgenommen.
DeRicci hatte recht: Es war kein Zufall, dass er an dem Tag, an dem Jane Zweig scheinbar gestorben war, mit einem Fall beschäftigt war, in den eben diese Jane Zweig verwickelt war.
Falls Jane Zweig tatsächlich Frieda Tey war, wie Rabinowitz geglaubt hatte, dann warf die zunächst falsch identifizierte Leiche einen ganzen Haufen neuer Fragen auf. Hatte Zweig etwas Neues vor? Hatte sie Rabinowitz selbst infiziert? Oder war sie bereits fort, und die tote Frau hatte ihren Platz einnehmen sollen?
Außerdem musste Flint herausfinden, ob die anderen Frauen, die Rabinowitz aufgesucht hatte, krank waren. Flint musste den Ausgangspunkt der Kontamination finden – falls Rabinowitz tatsächlich am Tey-Virus gestorben war, wie Wagner dachte.
Und dann war da noch Wagner und was auch immer er für ein Spiel spielte. Auch das würde Flint herausfinden müssen.
DeRicci hatte gesagt, sie hätte einen Haufen Arbeit, den sie schnell erledigen müsse, und Flint erging es jetzt nicht anders.
Er drückte eine Taste, sodass der Bildschirm wieder eingefahren wurde, und fing an, die Arbeit zu tun, für die Lokalisierungsspezialisten bekannt waren: das Aufspüren von Verschwundenen.
29
D eRicci lehnte sich an die Wand. Flints Bild war längst fort. Sie vermisste ihn. Bei ihm hatte sie sich nie Sorgen machen müssen, dass er nicht kreativ denken konnte. Das war vielleicht sogar das Problem mit Flint, dem Detective, gewesen. Er hatte kreativ gedacht – zu kreativ –, und er hatte Problemlösungen ersonnen, die außer ihm niemandem in den Sinn gekommen wären.
Lösungen, die nicht immer legal waren.
Flint würde herausfinden, ob Zweig eine Verschwundene oder das Fehlen der DNA lediglich ein Zufall war. Er würde es herausfinden, und er würde es schnell herausfinden.
DeRicci schaltete das Wandsystem ab, warf einen Blick auf das Rennen, das immer noch an der anderen Wand angezeigt wurde, und fragte sich, ob es je enden würde. Die jüngste Gruppe Läufer wirkte noch müder als die letzte, als sie die Ziellinie überquerte. Keine erhobenen Arme, kein letzter Sprung, nicht einmal eine Spur von Freude ob der vollbrachten Leistung.
Genau wie bei ihrer Arbeit. DeRicci stolperte von einem vorgegebenen Pfad zum nächsten – und manchmal, so wie heute, stellte sie fest, dass sie einen vollkommen falschen Weg gewählt hatte –, und wenn sie ihre Rennen abgeschlossen hatte, wandte sie sich sofort dem nächsten zu, ohne einen Gedanken an den Erfolg zu vergeuden. Nur daran, dass sie wieder eine Sache hinter sich gebracht hatte.
Sie brannte aus. Sie hatte nicht vor, ihre Arbeit nurmehr mechanisch zu erledigen – das ließ ihr eigener Sinn für Recht und Gerechtigkeit nicht zu –, aber sie wünschte sich unentwegt, sie wäre irgendwo anders. Allerdings nicht in einem Umweltanzug auf einer Marathonstrecke. Das war der letzte Ort, den sie nur zum Spaß aufsuchen würde.
Plötzlich setzte sie eine nachdenkliche Miene auf. Umweltanzug. Coburn hatte ihr erzählt, sie hätten eine Lieferung erhalten, und dass er und Zweig die Anzüge testen würden, aber sein Anzug war anders als ihrer. Offensichtlich sah Mayouxs Anzug jedoch genauso aus wie der, den Zweig getragen hatte. Aber wie viele dieser Anzüge hatte Extreme Enterprises erhalten? Und wer hatte sie in einer passenden Größe für Zweig und Mayoux bestellt?
DeRicci hastete zur Tür und riss sie auf.
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