Miles Flint 02 - Die Lautlosen
Die Menge war fort – offensichtlich hatte sich van der Ketting der Leute angenommen und sie essen geschickt, wie DeRicci es vorgeschlagen hatte, oder sie einfach aus dem Bungalow vertrieben.
Van der Ketting saß auf einem Plastikstuhl und kauerte sich über seinen Handheld, den er mit dem Körper abschirmte, sodass niemand anderes etwas sehen konnte. Er blickte nicht auf, als sie die Tür öffnete, doch seine Muskeln spannten sich.
Er hatte sie gesehen, wollte es aber nicht zugeben. Wie kindisch.
Der Uni, der ihr geholfen hatte, bedachte sie mit einem matten Grinsen. »Alles in Ordnung, Detective?«
DeRicci nickte, und dabei stellte sie erstaunt fest, dass auch eine Geste eine Lüge sein konnte. Es war überhaupt nichts in Ordnung.
»Können Sie mir Brady Coburn noch einmal herholen?«, bat sie. »Ich habe noch einige zusätzliche Fragen an ihn.«
Nun hob van der Ketting doch den Blick. »Können wir mit den Befragungen weitermachen?«
DeRicci schüttelte den Kopf. »Nur mit dieser.«
Und vielleicht nicht einmal das, wenn sie nicht ein bisschen Vorarbeit leistete. Sie drehte sich zu dem Uni um.
»Lassen Sie sich Zeit, wenn Sie ihn holen. Ich brauche ihn nicht sofort.«
Der Uni neigte zustimmend den Kopf. »Es wird so oder so eine Weile dauern, ihn zu finden. Wir lassen die Leute ein bisschen umherziehen; in dem Lagerhaus fühlen sie sich eingesperrt.«
DeRicci wusste nicht so recht, von welchem Lagerhaus er sprach. »Haben alle etwas zu essen und einen Platz, an dem sie sich ausruhen können?«
»Sie hatten alle die Möglichkeit zu essen und sich irgendwo hinzusetzen.« Die Augen des Uniformierten weiteten sich. »Ich dachte, das hätten Sie so haben wollen. Die werden doch nicht die ganze Nacht bleiben müssen, oder?«
Wäre das nicht eine Katastrophe? Sie seufzte. »Ich hoffe nicht.«
Dann nickte sie van der Ketting zu, doch der konzentrierte sich weiter auf seinen Handheld und tat, als würde er sie gar nicht sehen.
Die anderen Detectives loszuwerden konnte nicht leicht gewesen sein; offensichtlich wollte er sie nun dafür bezahlen lassen.
»Leif«, sagte sie. »Gehen wir rüber.«
Erneut blickte van der Ketting auf und ließ sie den Groll in seinen Zügen sehen, ehe er sich mit seinem Handheld erhob. DeRicci hielt ihm die Tür auf, und als er an ihr vorbeiging, fragte er: »Wer war der Freund?«
»Was?« Sie schloss die Tür.
Van der Ketting stand mitten im Raum. »Wer war der Freund, den Sie unbedingt anrufen mussten?«
»Jemand, der uns helfen kann«, antwortete DeRicci. Sie war nicht bereit, mehr zu verraten. »Was haben Sie inzwischen herausgefunden?«
»Nicht viel.« Van der Kettings Wangen röteten sich. »Ich habe einen Haufen Zeit mit Personalfragen zugebracht.«
»Dafür danke ich Ihnen«, sagte sie, obwohl sie sich gerade gar nicht dankbar fühlte. »Setzen Sie sich. Wir müssen weiterarbeiten.«
Van der Ketting kehrte zu dem Platz zurück, den er sich am Kopf des Tisches zurechtgemacht hatte. Seine Ausrüstung war noch genau da, wo er sie zurückgelassen hatte. DeRicci hatte außer Kaffee, Gebäck und dem Wandsystem nichts angerührt, seit er gegangen war.
Sie setzte sich neben ihn auf einen Stuhl und zog ihren eigenen Handheld aus der Tasche. Seit sie ihn das letzte Mal benutzt hatte, war einige Zeit vergangen; den größten Teil ihrer Arbeit hatte sie im Büro oder zuhause erledigt, und hier hatte sie die öffentlichen Links benutzt.
»Haben Sie sich schon mit Extreme Enterprises beschäftigt?«, fragte sie van der Ketting.
»Ich arbeite immer noch an den Videos.«
»Was haben die zu bieten?«
»Ein paar Merkwürdigkeiten.« Van der Ketting hielt den Kopf gesenkt, während er sprach, und seine Hände bearbeiteten das Gerät. »Keine Aufnahmen von Meile Fünf und Sechs bei den ersten Läufern. Die Aufnahmen beginnen erst, nachdem Zweig aus dem Aufnahmewinkel verschwunden ist.«
»Also könnte die Leiche schon die ganze Zeit dort gewesen sein.«
Er nickte. »Aber ich habe Aufnahmen aus der vorangegangenen Nacht, als die Techniker die Systeme getestet haben. Keine Leiche und keine Wagenspuren.«
DeRicci spürte, wie ihr Herz einen Satz tat. Damit hatten sie ihre Theorie ein wenig untermauern können. Zweig hatte die Leiche in dem Werkstattgebäude verstaut und kurz vor dem Rennen wieder hervorgeholt. Dann war sie zu Meile Fünf gefahren und hatte die Leiche hinter dem Felsen versteckt.
Vermutlich hatte sie das Fahrzeug auf demselben Weg zurückgebracht, auf dem sie es
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