Miles Flint 02 - Die Lautlosen
gefühlt, weil es in der Originalkuppel nicht genug Ressourcen gegeben hatte, um all den Kolonisten eine echte Chance einzuräumen, und die Testgruppe war nicht groß genug gewesen, als das Experiment schließlich zu große Ausmaße angenommen hatte.
All das hatte sie in den Artikeln geschrieben, die sie unter Pseudonym verfasst hatte, den Artikeln, denen Oliviari auf die Spur gekommen war, weil sie so eindeutig zu Frieda Teys Schreib- und Sprachstil passten.
Tey glaubte, hier hätte sie alles bedacht und all die Fehler des ersten Experiments ausgeräumt.
Was bedeutete, dass sie auch darauf bedacht sein würde, ihren eigenen Arsch zu retten. Beim letzten Mal hatte man ihr die Schuld für etwas angelastet, woran sie sich nicht schuldig fühlte. Ihr Name hatte über diesem Experiment geschwebt. Frieda Tey war die verantwortliche Leiterin gewesen.
Indem sie den Anschein weckte, das Virus sei nicht absichtlich freigesetzt worden, blieb ihr Name aus dem Spiel – sicher, der Name Tey wäre noch immer im Spiel, nicht aber der Name Zweig. Und falls irgendjemand durch eine neuerliche Ermittlung oder puren Zufall herausfinden sollte, dass Frieda Tey und Jane Zweig ein und dieselbe Person waren, würde das auch nichts ausmachen, weil Jane Zweig tot war.
Wirklich, wahrhaftig und unleugbar tot. Selbst wenn jeder Einwohner von Armstrong an dieser furchtbaren Krankheit sterben würde, würden die Akten noch immer da sein. Und in diesen Akten würde stehen, dass Zweig auf andere Art zu Tode gekommen war, bevor das Virus sich ausgebreitet hatte.
Vorher. Also konnte man sie nicht dafür verantwortlich machen.
Und sollte man ihr doch die Verantwortung geben, müsste es posthum geschehen. Keine Haftbefehle, kein Gefängnisaufenthalt, kein Verfahren in Abwesenheit.
»Brillant«, murmelte Oliviari.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Tokagawa.
Nein, natürlich nicht. Es war gar nichts in Ordnung mit ihr. Oliviari war der Frau, die sie all diese Jahre gesucht hatte, auf den Leim gegangen.
Natürlich hatte Frieda Tey alles genau geplant. Das war schließlich das, was Wissenschaftler taten. Sie stellten ein neues Experiment zusammen, bei dem die Probleme des vorangegangenen nicht wiederholt werden würden.
Eines der Probleme des alten Experiments war gewesen, dass Frieda Tey hatte verschwinden müssen. Warum also nicht vorher verschwinden?
Was war schließlich ein Leben, wenn Teys Erkenntnisse Millionen retten konnten? Was waren Tausende von Leben in diesem Zusammenhang? So hatte Tey von Anfang an argumentiert.
Oliviari musste mit der Polizei sprechen. Sie mussten die Leiche überprüfen. Sie mussten sie überprüfen, um herauszufinden, ob die DNA mit der von Tey übereinstimmte – oder, sollte sie das nicht tun, mit der von Zweig.
Denn Oliviari wusste mit der gleichen Gewissheit, die sie überhaupt erst zu diesem Marathon geführt hatte, dass die Leiche, die auf der Strecke gefunden worden war, nicht Zweig oder Tey sein konnte. Das war nur ein armes Opfer, irgendjemand, der das Pech gehabt hatte, Teys Pfade zum falschen Zeitpunkt zu kreuzen.
Tey hatte alle in die Irre geführt. Vermutlich hatte sie diese Sache jahrelang geplant, unter Zuhilfenahme all der Dinge, die sie bei Extreme Enterprises gelernt hatte. Sie hatte sich absichtlich wieder ins Rampenlicht gewagt, sodass die Öffentlichkeit darauf aufmerksam werden musste, wenn sie ›starb‹.
Damit niemand auf den Gedanken kommen würde, sie wäre verschwunden – wieder verschwunden.
28
F lint war gerade dabei, die anderen Namen aus Rabinowitz’ Terminkalender zu überprüfen, als sein persönlicher Link einen Ruf von einem öffentlichen Knotenpunkt verkündete.
Beinahe hätte Flint den Ruf einfach abgewiesen, doch dann erkundigte er sich, wer ihn sprechen wollte.
Jemand, der behauptet, Noelle DeRicci zu sein, informierte ihn das System. Behauptet hieß, dass das System die Angabe nicht verifizieren konnte. Aber es wäre seltsam, würde jemand ihn anrufen und sich lediglich als DeRicci ausgeben, nachdem er gerade erst versucht hatte, sie zu kontaktieren.
Eingedämmt auf den Hauptschirm, wies er das System an, was bedeutete, es sollte sich gegen jegliche unbefugten Eingriffe, Viren, Würmer oder Fallen abschirmen, während der öffentliche Ruf audiovisuellen Zugriff auf einen einzigen Schirm nehmen konnte.
Dieser Schirm schob sich mit einem Bild von DeRicci aus der Mitte seines Schreibtisches empor. Öffentliche Knotenpunkte waren oft nicht dazu
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