Miles Flint 02 - Die Lautlosen
sie dem Mann geholfen hatte, oder danach. Ihr kam es vor, als hätte sie ihm gleich zu Beginn geholfen. War er in Zweigs Nähe gestartet? War er in ihrer Nähe gewesen, als sie eingekleidet worden waren?
Das würde sie nie in Erfahrung bringen. Er war tot und Zweig verschwunden.
Verschwunden. Das war es, was Oliviari vergessen hatte.
Sie flüsterte das Wort, einmal, auf ihrem Weg. Sie musste dem zuständigen Detective erklären, dass das alles ein Experiment war und dass irgendjemand – jeder, der in Frage käme – Tey oder Zweig oder wie sie sich jetzt auch nennen mochte, stellen musste, ehe sie endgültig auf und davon wäre.
Oliviari stolperte. Der Sanitäter griff nach ihrem Arm und hielt sie aufrecht.
»Soll ich Dr. Klein holen?«, fragte er.
»Nein.« Oliviari legte alle Kraft in ihre Stimme, derer sie habhaft werden konnte. »Sie müssen das medizinische Personal hier rausschaffen. Helfen Sie Dr. Tokagawa. Sie müssen diese Dekon-Einheiten besorgen.«
»Wenigstens eine hat er ganz in der Nähe aufgetrieben«, sagte der Sanitäter. »Die sollte bald hier sein.«
»Achten Sie darauf, dass sie die richtigen Spezifikationen hat«, entgegnete Oliviari.
»Die hat sie.« Der Sanitäter hielt ihren Arm mit festem Griff, obwohl seine Finger auf ihrer feuchten Haut wenig Halt fanden. Schweiß. So viel Schweiß. Es war, als hätte sie sich in einen menschlichen Wasserfall verwandelt.
Sie erreichten die Tür zum Büro. Oliviari ging hinein. Nun war sie dankbar dafür, dass Tokagawa die Kisten vom Tisch entfernt hatte. Wie er es zuvor getan hatte, setzte sich nun auch sie mit überkreuzten Beinen auf die Tischplatte.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir den zuständigen Detective herzuholen?«
»Hierher?« Der Sanitäter starrte sie überrascht an. »Aber wir …«
»Über den Link. Ich bin nicht so klar, wie ich es mir wünschen würde. Ich schätze, ich brauche Wasser. Ich dehydriere.«
»Natürlich tun Sie das«, sagte der Sanitäter mehr zu sich als zu ihr. »Natürlich. Ich hole Ihnen etwas Wunderwasser.«
»Erst den Link«, mahnte sie.
Der Mann nickte, trat an die Wand und aktivierte den Link. Oliviari senkte den Kopf, unterdrückte ein Niesen und strich sich mit den Fingern übers Haar. Es war feucht. Sie musste furchtbar aussehen.
»Alles bereit«, sagte der Sanitäter. »Die Frau heißt Detective DeRicci. Ich komme gleich mit Ihrem Wasser zurück.«
Oliviari blickte auf. Das Gesicht einer Frau hing in der Nähe der Wand in der Luft. Holografische Projektion. Es sah merkwürdig aus.
Das war die Frau, die Oliviari vor einigen Stunden durch den Tribünengang hatte kommen sehen. Sie machte einen kompetenten Eindruck, und sie war seit bestimmt einer Stunde die erste Person, die nicht verängstigt wirkte.
»Ich dachte, ich sollte mit einem Mikhail Tokagawa sprechen«, sagte die Frau.
»Sie sind besser beraten, wenn Sie mit mir sprechen.« Oliviari ermahnte sich, sich zu konzentrieren. »Sie sind der zuständige Detective?«
»Noelle DeRicci. Aber ich habe keine Ahnung, wer Sie sind.«
Der Sanitäter kam zur Tür herein und reichte Oliviari eine große Flasche Wunderwasser. Dann ging er wieder hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Sie drehte den Verschluss ab.
»Sie können nicht wissen, wer ich bin«, antwortete Oliviari. »Und das ist einer der Gründe, warum ich jetzt mit Ihnen spreche.«
»Ich habe keine Zeit für Ratespielchen«, schnappte DeRicci.
»Damit werde ich Sie nicht belästigen. Aber ich werde langsam reden müssen, weil ich krank bin. Ich will das richtig machen, weil ich vielleicht keine zweite Chance bekommen werde.«
Oliviari musste diesen Punkt absolut deutlich machen. Sie musste Detective DeRicci klar machen, dass sie schon bald auf sich allein gestellt sein würde. Wenn die Benommenheit fortdauerte, die von Oliviaris Hirn Besitz ergriffen hatte, würde es nicht mehr wichtig sein, ob sie bei Bewusstsein blieb oder nicht. Sie würde schlicht nicht mehr in der Lage sein, Fragen auf vernünftige Weise zu beantworten.
»Also schön«, sagte DeRicci. »Sie sind diejenige, die erklärt hat, dies sei das Tey-Virus, richtig?«
»Allerdings«, bestätigte Oliviari. »Und Dr. Tokagawa stimmt mir zu.«
Sie trank einen Schluck Wunderwasser. Es war kühl und schmeckte vage nach Erdbeeren.
»Mein Name ist Miriam Oliviari. Ich suche Frieda Tey bereits seit Jahren. Ich habe mehr Spuren verfolgt, als Sie sich vorstellen können, und ich habe einen schweren Fehler begangen, als ich
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