Miles Flint 02 - Die Lautlosen
»Frieda Tey war eine Verschwundene, und es sieht so aus, als hätte sie hier in Armstrong unter dem Namen Jane Zweig gelebt.«
»Unsere Nichtleiche«, sagte Gumiela.
»Richtig.« DeRicci blickte über die Schulter.
Van der Ketting setzte sich und stierte die Tischplatte an, aber Landres beobachtete sie, als hätte er dergleichen noch nie zuvor erlebt.
DeRicci widmete ihre Aufmerksamkeit wieder dem Handheld. »Nichts davon ist für die Öffentlichkeit bestimmt. Wenn die guten Bürger von Armstrong erfahren, dass wir es mit einer möglichen Epidemie zu tun haben, werden sie in Panik geraten.«
»Das ist mir durchaus bewusst.« Gumiela schien nicht einmal gekränkt darauf zu reagieren, dass DeRicci ihr soeben erzählt hatte, wie sie ihre Arbeit zu machen hatte. »Ich habe seit der ersten Pressekonferenz keine weitere abgehalten. Was die Stadt betrifft, so glauben bisher alle, Jane Zweig wäre gestorben.«
»Gut«, entgegnete DeRicci, »denn wir haben da noch ein großes Problem, und damit werden Sie sich da draußen auseinandersetzen müssen.«
Gumiela reckte das Kinn hoch, als wolle sie die Schultern durchdrücken, um sich auf das vorzubereiten, was da kommen wollte. »Was?«
»Ich wurde heute von einem Informanten kontaktiert, der mich nach dem Tey-Virus gefragt hat.«
»Was für ein Informant?«, fragte Gumiela.
DeRicci würde Flint nicht verraten. Sie würde nicht einmal den kleinsten Hinweis darauf liefern, wer ihre Quelle war. »Ein verlässlicher.«
Van der Ketting gab hinter ihr ein ersticktes Geräusch von sich. DeRicci blickte sich über die Schulter zu ihm um. Inzwischen beobachtete er sie mit gerunzelter Stirn – offensichtlich war er der Meinung, sie sollte Gumiela den Namen des Informanten nennen.
»Mein Informant hat Ihre Pressekonferenz gesehen«, berichtete DeRicci, »und er hat von Jane Zweigs Ableben gehört. Der Informant wollte wissen, ob Zweig an der Grippe gestorben ist, weil jemand anderes – jemand, der in der letzten Woche Kontakt zu Zweig gehabt hat – der Grippe zum Opfer ist.«
Gumiela erbleichte. »Soll das heißen, diese Grippe könnte schon in der Kuppel sein?«
»Wenn sie dort ist«, sagte DeRicci, »dann, denke ich, muss es sich um eine langsamer fortschreitende Version handeln, es sei denn, alle Personen hier draußen, die krank sind, stehen ebenfalls schon länger in Verbindung mit Zweig.«
Das war ein Punkt, den DeRicci nicht vollkommen ausschließen konnte; aber sie hielt es für unwahrscheinlich. Sie ging davon aus, dass der Auslöser des Problems im Marathon selbst zu finden war.
»Wir brauchen den Namen von diesem Jemand«, sagte Gumiela.
»Ich bin nicht sicher, ob ich den in nächster Zeit beschaffen kann.« DeRicci hatte andere Dinge zu erledigen; das Letzte, was sie jetzt brauchte, war eine erneute Kontaktaufnahme zu Flint. Außerdem würde er ihr den Namen vielleicht gar nicht geben. »Ich denke, Sie sollten lieber die Krankenhäuser kontaktieren und sich erkundigen, ob sie Grippefälle oder Vireninfektionen behandelt haben. Außerdem können Sie sich die Sterbedateien ansehen, um herauszufinden, ob in der letzten Woche oder so jemand an den Auswirkungen einer Virenerkrankung oder einer Erkältung oder wie auch immer man das heutzutage nennt gestorben ist.«
»Hätte der Leichenbeschauer dieses Virus nicht finden müssen?«, fragte Gumiela.
»Das glaube ich nicht«, antwortete DeRicci. »Ich meine, wenn es nur ein isolierter Fall gewesen ist, warum hätte der Leichenbeschauer dann mehr tun sollen, als den allgemeinen Typ zu bestimmen? Wozu eine genaue Bestimmung vornehmen?«
»Ach, ich weiß nicht«, sagte Gumiela, »vielleicht, um Leben zu retten?«
Gumielas Denken folgte einem Muster, das sich auf das Wissen gründete, das ihnen jetzt zur Verfügung stand, eine Eigenschaft, die DeRicci schon von jeher an ihr zu schaffen gemacht hatte. Gumiela bezog die Vergangenheit niemals als einen Zeitpunkt mit ein, zu dem die Informationen anders ausgesehen hatten. Sie schien stets davon auszugehen, dass jeder auf das gleiche Faktenwissen zurückgreifen konnte wie sie selbst.
DeRicci hatte derzeit aber weder die Kraft noch die Zeit, sich mit ihr herumzustreifen.
»Beauftragen Sie einfach jemanden, sich darum zu kümmern«, sagte DeRicci. »Wir haben hier mehr als genug zu tun.«
Und damit beendete sie die Verbindung.
So etwas hatte sie noch nie zuvor getan. Nie hatte sie ein Gespräch mit ihrem Boss einfach eigenmächtig abgebrochen. Ein gutes
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