Miles Flint 02 - Die Lautlosen
Gefühl.
DeRicci drehte sich zu Landres und van der Ketting um. »Ich muss mit der zuständigen Person im medizinischen Versorgungszelt sprechen. Ich habe einen ganzen Haufen Fragen, ehe ich entscheiden kann, wie es weitergeht.«
»Die wissen bereits Bescheid. Sie warten schon auf Sie«, sagte van der Ketting.
»Die zuständige Person«, fügte Landres hinzu, »ist Mikhail Tokagawa. Er wird vermutlich all Ihre Fragen beantworten können.«
»Das hoffe ich«, sagte DeRicci. »Jemand muss mir ein oder zwei Antworten liefern. Ich bin weiß Gott noch verwirrter als zu dem Zeitpunkt, da ich hier angefangen habe.«
Obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Tatsächlich hatte sie sogar eine sehr klare Vorstellung von dem Gesamtbild. Sollte dieses Virus wirklich der Erreger sein, für das es anscheinend von aller Welt gehalten würde, dann würde es sich auch in der Kuppel ausbreiten, und das wäre mehr als nur katastrophal.
Das wäre ihrer aller Ende.
33
D er junge Sanitäter eilte herbei. »Die Polizei hat gerade erneut Kontakt aufgenommen. Sie haben noch Fragen.«
Er hörte sich verängstigt an, und Oliviari nahm an, dass er das auch war. Wenn die Polizei nicht wusste, was los war, bestand die Gefahr, dass irgendjemand das Gelände verließ und diese verdammte Seuche ins Innere der Kuppel trug.
»Sie wissen aber, dass es um Tey geht, oder?« Oliviari hielt sich noch immer mit einer Hand an der Wand fest. Der Schweiß rann ihr über das Gesicht, bis sie das Gefühl hatte, unter der Dusche zu stehen.
»Wir haben sie informiert; wir haben sie gewarnt und wir haben sie angewiesen, das Gebiet nicht zu verlassen.« Der Sanitäter biss sich auf die Unterlippe. Jemand schrie auf, und er sah sich um, als suche er nach dem Eigentümer der Stimme.
Oliviari hatte inzwischen Schwierigkeiten, die Stimmen, das Husten und das Schniefen auseinanderzuhalten. Dieser Ort, der noch vor wenigen Stunden voller gesunder Menschen gewesen war, hatte sich in eine Todesfalle verwandelt.
»Ich schätze, sie werden das ganze Gebiet unter Quarantäne stellen«, sagte der Sanitäter und sah sich wieder zu ihr um. »Aber sie haben trotzdem noch Fragen. Ich denke, sie sollten mit Dr. Tokagawa sprechen, doch Sie haben gesagt, Sie würden sich darum kümmern.«
»Das werde ich auch.« Sie musste. Oliviari hatte alle Informationen und kannte die Geschichte. Außerdem war ihr etwas über Frieda Tey klar geworden. Etwas Wichtiges … wenn nur ihr Gehirn noch vernünftig arbeiten würde. Es fühlte sich an, als hätte es jemand in Watte gepackt.
Oliviari richtete sich auf. Eine Woge der Benommenheit brach über sie herein, aber sie spannte ihren Oberkörper so stark an, dass sie gar nicht schwanken konnte.
»Ich will Ihnen nicht zu nahetreten, Ma’am, aber Sie sollten sich lieber hinlegen«, sagte der Sanitäter.
»Schon gut.« Sie zwang sich, ihn anzulächeln. Im Stillen fragte sie sich, wie scheußlich das aussehen musste. »Aber ich will mich nützlich machen, und das ist ein Gebiet, auf dem ich wirklich helfen kann.«
Ihr Blick wanderte über die Betten mit den Kranken, die in Decken eingewickelt waren und sich hier und da zu zweit ein Bett teilen mussten. Wann war das passiert? Waren sie alle so schnell krank geworden?
Sie selbst war so schnell krank geworden. Das schrieb sie dem Schweiß des Mannes zu; bei ihm hatte sie sich angesteckt. Bis dahin war es ihr gut gegangen. Und sie hatte einen Umweltanzug getragen.
»Dann mal los«, sagte der Sanitäter.
»Ja«, stimmte Oliviari ihm zu, obwohl das Büro endlos weit fort zu sein schien. Das war nicht gut. Sie musste dran bleiben. Sie musste alles in Bewegung setzen, um Jane Zweig zu finden. Um Frieda Tey zu finden.
Um der Familien willen.
»Sie müssen die Quelle des Virus finden«, sagte sie zu dem Sanitäter. »Finden Sie heraus, wo es herkommt.«
Dann, ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie zum Büro. Beinahe hätte sie den Kopf gesenkt und sich ihren Weg gewaltsam gebahnt wie ein Kind, das fest entschlossen war, sich einer Strafe zu entziehen. Aber sie tat es nicht. Stattdessen betrachtete sie die Läufer um sich herum. Sie alle hatten vertraute Gesichter. Oliviari hatte mit jedem von ihnen gesprochen, als sie sie im Zelt in Empfang genommen hatte. Aber bei niemandem hatte sie während des diagnostischen Scans ein Virus gefunden – nicht einmal bei dem Mann, der sie alle angesteckt hatte.
Was sie nicht mehr wusste, war, ob sie mit diesen Leuten gesprochen hatte, bevor
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