Miles Flint 02 - Die Lautlosen
Kontrolle über seinen Körper zurückzubekommen, aber es gelang ihm nicht – noch nicht. Der Anzug bewahrte ihn vor schlimmerem Schaden, genau, wie es seine Aufgabe war. Ihrer hätte mehr bewirkt. Das war der Grund, warum er keine Wahl gehabt hatte, als dahin zu schießen, wohin er geschossen hatte.
Als er sich wieder bewegen konnte, auch wenn der Schmerz schlimm genug war, dass seine ganze Körperhälfte pulsierte, warf er vorsichtig einen Blick ins Cockpit.
Frieda Tey lag auf dem Rücken, die Arme über den Kopf gestreckt, genau wie der Raumpolizist, den sie an diesem Tag ermordet hatte. Ihr Gesicht war eine verbrannte Masse, ihr Haar blutverkrustet.
Das konnte niemand überleben, nicht einmal eine Frau, die sich für einen Übermenschen hielt.
Flint wandte sich ab, glitt an der Wand entlang, schloss die Augen und versuchte, das merkwürdige Gefühl des Bedauerns zu vertreiben, das von ihm Besitz ergriffen hatte. Frieda Tey war klug gewesen, attraktiv und charmant, und trotz allem hatte ihm die Herausforderung gefallen, die sie für ihn dargestellt hatte.
In dem Moment, in dem er den Abzug betätigt hatte, war er tatsächlich stolz auf sich gewesen. Er hatte das Schlupfloch entdeckt, das ihr entgangen war.
Sie hatte sich um ihr eigenes Überleben gesorgt – und das hatte ihm Gelegenheit gegeben, sie schachmatt zu setzen. Ein Spieler musste etwas haben, das er für schützenswert hielt; anderenfalls hatte er nichts zu verlieren.
Flint hatte nichts zu verlieren gehabt, und das hatte sie nicht gewusst, weil sie ihn nicht kannte.
Sie hatte nicht gewusst, dass es ihm egal war, ob er überlebte oder nicht.
46
D eRicci fühlte sich, als wäre sie ein ganzes Jahr lang isoliert gewesen; dabei halte sie nur eine Nacht in dem Gebäude verbracht, das die Stadt zu diesem Zweck bereitgestellt hatte. Die Kleidung, die man ihr gegeben hatte, war zu groß, aber bequem. Auf ein Bett hatte sie verzichtet. Stattdessen hatte sie sich an eine Wand gesetzt und gedöst.
Wenn sie zu tief schlief, sah sie zu viele Gesichter – Gesichter, von denen sie nicht wusste, ob ihre Besitzer überlebt hatten. Die Gesundheitsbeamten hatten ihr ihren Handheld zusammen mit ihrer Kleidung abgenommen, so dass der Fall sie derzeit nicht mehr beschäftigen musste, und sie war offenbar in einem anderen Teil des Gebäudes untergebracht worden als Landres und van der Ketting.
Aber sie bekam Coburn zu sehen, und der sah aus wie der Tod persönlich. Seine Augen waren blutunterlaufen, seine Nase rot und die Haut an den Wangen aufgesprungen.
Der Mann hatte geweint.
Coburn setzte sich neben sie und schwieg für lange Zeit. Als er dann doch etwas sagte, sprach er so leise, dass DeRicci für einen Moment nicht sicher war, ob sie ihn wirklich gehört hatte.
»Ist es wahr?«, fragte er. »Hat Jane das alles getan?«
»Ja«, antwortete DeRicci.
»Jane? Meine Geschäftspartnerin Jane?«
Seine ehemalige Geliebte Jane. Die Frau, die er als etwas unterkühlt beschrieben hatte, als jemanden, mit dem keine tiefergehende Beziehung möglich war. Und die Frau, die er, wie DeRicci zu glauben begann, wirklich geliebt hatte.
»Ja«, sagte DeRicci.
Coburn hatte den Kopf geschüttelt und den größten Teil der nächsten Stunde mit Schweigen verbracht. DeRicci hatte beinahe vergessen, dass er da war, als er wieder das Wort ergriff.
»Wenn Sie anfangen, gegen sie zu ermitteln«, sagte er, »dann kontaktieren Sie mich. Es hat Unfälle gegeben, so viele Unfälle, bei Extreme Enterprises. Ich dachte immer, es läge an einer Mischung aus ihrer Gier und ihrer Unerfahrenheit. Aber jetzt fürchte ich, sie hat sie mit Absicht herbeigeführt.«
DeRicci wusste, dass sie die Unfälle mit Absicht herbeigeführt hatte, auch ohne die einzelnen Vorfälle zu untersuchen; aber sie sagte nichts dazu. Sie wagte es nicht. Auch wenn sie glaubte, dass Coburn mit all dem nichts zu tun hatte, wände sie doch auch gegen ihn ermitteln müssen.
Sie würde gegen jeden ermitteln müssen, der Kontakt zu Jane Zweig gehabt hatte, und sie würde feststellen müssen, ob die jeweilige Person schuldig war oder nicht. Wenn DeRicci ihre Arbeit gut machte, wäre sie imstande, die Namen dieser Leute reinzuwaschen. Das Letzte, was sie wollte, war, dass Frieda Tey ihre Verbrechen jemand anderem in die Schuhe schieben konnte.
Während sie wieder einmal gedöst hatte, hatte Coburn sie allein gelassen. Vielleicht hielt er es in ihrer Nähe nicht aus; vielleicht hatte sie ihm aber auch bereits
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