Miles Flint 04 - Das Marsgrab
runzelte die Stirn. »Ich habe die Disty nie als irrational erlebt, zumindest nicht innerhalb des Handlungsrahmens ihrer Gesetze und kulturellen Grenzen.«
»Ich auch nicht«, bemerkte Scott-Olson, »aber sie sind völlig überfordert.«
»Wovon?«
»Von den Leichen. Wir haben ein Massengrab entdeckt, das schon lange bevor die Disty hierhergekommen sind, existiert haben muss. Die Disty kommen mit der Kontamination nicht zurecht. In ihren Augen ist es so schlimm, dass sie lieber sterben, als hier zu bleiben.«
Flint rieb mit den Handflächen über seine Knie, seine Hände waren plötzlich schweißnass. Und plötzlich war er sehr nervös. »Ein Massengrab?«
»Wissen Sie davon?«, fragte sie.
»Ich habe mich wegen Lagrima Jørgen an Sie gewandt«, sagte er. »Sie steht in Verbindung mit einem Massaker in der Saharakuppel.«
»Einem Massaker?«, fragte Scott-Olson.
Also erzählte Flint ihr, was er über das Massaker und die Pläne wusste, die Jørgen in betrügerischer Absicht verfolgt hatte. »Ich nehme an, ihr Tod steht damit in Verbindung.«
»Das erklärt einiges«, meinte Scott-Olson.
»Was?«, fragte Flint.
»Wir haben das Massengrab unter der Stelle entdeckt, an der wir sie gefunden haben«, berichtete Scott-Olson. »Ich wollte Aisha davon erzählen, hatte aber keine Gelegenheit dazu. Ich wollte nicht über einen offenen Link mit ihr sprechen, weil …«
Ihre Stimme brach, und sie schüttelte den Kopf.
»Weil?«, hakte Flint nach.
Scott-Olson bedachte ihn mit einem kläglichen Lächeln. »Weil ich nicht wollte, dass die Disty davon erführen. Ich hatte keine Ahnung, was sie tun würden.«
»Aber sie haben davon erfahren.«
»Ja.« Tiefes Bedauern lag in diesem kurzen Wort. »Können Sie mir verraten, wer bei dem Massaker umgekommen ist? Vielleicht können wir Verwandte auftreiben und den Ort dekontaminieren.«
»Viel kann ich Ihnen nicht verraten. Ich wollte lediglich diese Information weitergeben. Eigentlich hatte ich sogar gehofft, Sie könnten mir etwas erzählen. Meine Quellen sind ziemlich dürftig.«
»Ich habe weiter nichts in Erfahrung bringen können«, sagte sie. »Andererseits wusste ich bisher auch nicht, in welcher Richtung ich suchen muss. Die Leichen waren mumifiziert, und wir konnten sie nicht einmal datieren, ehe der Wahnsinn ausgebrochen ist.«
»Ich kann Ihnen sagen, wann sie gestorben sind«, sagte Flint. »Und ich kann Nachforschungen in Bezug auf die Überlebenden anstellen. Ich habe ihre Namen durch Jørgens Betrügerei erfahren. Aber ich muss Sie warnen, die meisten von ihnen waren in den Randkolonien, als sie ihr begegnet sind.«
»Toll!«, stieß Scott-Olson matt hervor. »Wir werden wohl nie eine Lösung finden.«
»Sie sind schon ein Stück weiter«, entgegnete Flint.
»Schicken Sie mir alle Informationen, die Sie haben!«, bat Scott-Olson. »Ich bin hier in diesem Gebäude gefangen, bis … bis es da draußen wieder ruhiger wird. Und bis die ersten Toten reingebracht werden, werde ich nicht viel zu tun haben. Vielleicht kann ich herausfinden, was wir in unseren offiziellen Datenbanken haben.«
»Ich würde es auch in ein paar inoffiziellen versuchen«, riet Flint ihr.
Scott-Olson nickte. »Es ist kein Zufall, dass Jørgens Leiche an dieser Stelle gefunden wurde, wissen Sie.«
»Ich weiß«, sagte Flint. »Das bedeutet, dass jemand sie in der Saharakuppel erkannt hat, wusste, was sie getan hat, und sie umgebracht hat.«
»Jemand, der sie zutiefst gehasst haben muss, nehme ich an«, ergänzte Scott-Olson. »Vielleicht einer derjenigen, die das Massaker überlebt haben.«
»Auch das werden Sie vielleicht leichter herausfinden können als ich«, entgegnete Flint.
Scott-Olson zuckte mit den Schultern. »Ich werde tun, was ich kann. Das Gebäude hat dreißig Jahre dort gestanden. Wer Jørgen auch getötet hat, er hat es vor langer Zeit getan und ist vielleicht selbst längst nicht mehr auf dem Mars.«
»Oder längst tot.« Flint beugte sich vor und stützte einen Ellbogen auf seinen Schreibtisch, ganz gegen seinen Willen fasziniert. »Sollten wir den Mörder finden, wird das dann reichen, um die Disty aufzuhalten?«
Scott-Olson setzte eine ernste Miene auf und sah sich über die Schulter um, aber niemand schien zu lauschen.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie dann. »Vielleicht hätte das geholfen, wenn wir es nur mit Jørgen zu tun hätten, was schlimm genug war. Aber Sie haben keine Vorstellung davon, wie verrückt es hier zugeht! Wir wissen nicht einmal von
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