Miles Flint 04 - Das Marsgrab
aufzunehmen. Und natürlich hatten sie keinen Erfolg.
Er fragte sich, ob irgendjemand den Hafen von Armstrong über ein mögliches Kontaminationsproblem seitens der Disty in Kenntnis gesetzt hatte. Er bezweifelte es. Und dann wurde ihm plötzlich klar, dass die panischen Disty genau hierher flüchten würden. Sie konnten jeden verfügbaren Hafen im ganzen Sonnensystem ansteuern. Der Hafen von Armstrong war lediglich einer der größten und vom Mars aus der nächste.
Es war wie eine ansteckende Krankheit. Kamen die Disty hierher, so würden sie die Disty, die bereits in Armstrong lebten, kontaminieren. Diese Disty würden folglich versuchen zu fliehen. Und schon gäbe es hier die gleiche Art von Chaos, wie sie der Mars derzeit erlebte.
Nahm Flint jedoch Kontakt zum Hafen auf, so würde man ihn auffordern, seine Behauptungen zu begründen, und dazu wäre er nicht in der Lage. Womöglich würden sie sogar Beweise verlangen, und die konnte er ihnen erst recht nicht liefern.
Aber er konnte DeRicci kontaktieren. Sie würde ihm vertrauen, zumindest weit genug, um Ermittlungen aufzunehmen.
Und sie war in der richtigen Position, um sich dieser Krise auf direktem Wege anzunehmen.
36
N oelle DeRicci saß im Schneidersitz auf ihrem Schreibtisch und starrte ihre Monitorwand an. Die Krise, die sich auf dem Mars ausbreitete, besaß durchaus vertraute Aspekte. Es war erst zwei Jahren her, dass sie selbst über den ganzen Mond gereist war, um über Kuppelevakuierungen zu sprechen.
Jede Kuppel auf dem Mond hatte ein eigenes Evakuierungsverfahren, aber ihrer Abteilung unterstünde die Koordination derselben – vorausgesetzt, es gelänge DeRicci, hier endlich eine Linie hineinzubringen, und die Mondregierung räumte ihr tatsächlich doch noch die nötigen Amtsbefugnisse ein – solche, die es ihr erlaubten, eine mondweite Evakuierung anzuordnen. Bis jetzt war ihr nicht wirklich bewusst gewesen, wie groß diese Aufgabe war.
Popova schickte ihr eine Nachricht über ihre Links. DeRicci hatte Besuch. Detective Nyquist.
DeRicci rutschte von der Schreibtischplatte und drehte der Monitorwand den Rücken zu. Es wäre schön, für ein paar Minuten an etwas anderes zu denken. Sie wies Popova an, Nyquist hereinzuschicken.
Der Detective sah zerknittert und müde aus. Er bewegte sich mit einer Geschmeidigkeit und Eleganz, die bei einem Mann von seiner Größe irgendwie unangebracht schien. DeRicci fragte sich, ob ihm je irgendjemand gesagt hatte, dass er sich bewege, als wäre er deutlich größer.
Vermutlich nicht.
Sie streckte ihm die Hand entgegen, und er ergriff sie. Doch er schüttelte die dargebotene Hand nicht, und DeRicci schüttelte auch nicht die seine. Stattdessen standen sie beide nur da und starrten einander einen Moment lang an.
DeRiccis Wangen fühlten sich mit einem Mal viel zu warm an, und sie zog ihre Hand zuerst zurück. »Schön, Sie zu sehen, Detective.«
Er deutete mit einem Nicken auf die Wandschirme. »Sie verfolgen die Krise, was?«
»Ich versuche, daraus zu lernen«, sagte sie. »Gibt es etwas Neues über den Vergeltungsmord?«
»Ja«, bestätigte er.
Sie zog einen Stuhl an den Schreibtisch heran und gab Nyquist mit einem Wink zu verstehen, Platz zu nehmen. Dann machte sie sich auf, um den Schreibtisch herum zu ihrem eigenen Stuhl zu gehen, überlegte es sich aber wieder anders. Sie wollte keine durchsichtige Barriere zwischen sich und ihm haben.
Also zog sie einen weiteren Stuhl heran, um in Nyquists Nähe zu sitzen. Ihm gegenüber, nicht neben ihm.
Dennoch kam sie sich zu leicht durchschaubar vor.
»Also, wie läuft es in dem Fall?«, fragte sie, bemüht, ihren Gedanken eine andere Richtung zu geben.
»Ich bin Ihrem alten Partner begegnet«, berichtete Nyquist. »Miles Flint.«
DeRicci lehnte sich zurück und verspürte etwas wie eine leichte Benommenheit. Flint. Was hatte der mit einem Disty-Vergeltungsmord in einer Schlepper-Organisation zu schaffen?
»Verraten Sie es mir nicht!«, hielt sie Nyquist zurück. »Es gibt also eine Verbindung zwischen ihm und dem Fall.«
»Costard hat ihn mehrere Male getroffen«, berichtete Nyquist. »Ich glaube, sie hat ihn angeheuert, auch wenn Flint das nicht zugeben wollte. Er sagt, dass sie keinen Grund hätte, eine Schlepper-Organisation aufzusuchen, wenn sie ihn angeheuert hätte.«
Wäre Flint irgendein beliebiger Lokalisierungsspezialist gewesen, hätte DeRicci zustimmen müssen. Aber Flint war kein gewöhnlicher Mann. Er hatte vor einigen Jahren
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