Miles Flint 04 - Das Marsgrab
unzähligen Menschen geholfen, untergetaucht zu bleiben, indem er während einer polizeilichen Ermittlung eine gut beleumundete Schlepper-Organisation ins Spiel gebracht hatte.
DeRicci behielt das für sich – noch jedenfalls. Sie wollte erst mehr über das Zusammentreffen hören, ehe sie sich eine Meinung bildete. Außerdem war sie nicht sicher, ob sie Nyquist voll und ganz vertrauen konnte, gleich, wie sehr sie sich auch zu ihm hingezogen fühlte.
»Er ist ein sonderbarer Mensch«, meinte Nyquist und musterte sie forschend, versuchte zu erkennen, wie sie tatsächlich über Flint dachte. »Ich konnte ihn nicht einschätzen.«
»Das ist eine seiner Stärken«, entgegnete DeRicci.
»Er hat noch nichts von Costards Tod gewusst. Als er erfahren hat, dass es ein Vergeltungsmord war, wirkte er überrascht. Zumindest habe ich es so empfunden.«
»Haben Sie ihm erzählt, dass er schlampig ausgeführt wurde?«, fragte DeRicci.
Nyquist nickte. »Daraufhin hat er mir einen Vorschlag unterbreitet. Er sagte mir, ich solle mir den Grund für Costards Reise nach Armstrong ansehen. Er war der Ansicht, so könnte ich etwas herausfinden.«
DeRiccis Magen tat einen Satz. Flint war in den Fall verwickelt. Und aus irgendeinem Grund verriet er Nyquist mehr, als er selbst ihr je über seine Lokalisierungsfälle verraten hatte.
»Haben Sie es getan?«, fragte sie, bemüht, sich ihre Empfindungen nicht anmerken zu lassen.
»Oh, ja«, antwortete Nyquist. »Das ist auch der Grund, warum ich hergekommen bin. Ich habe herausgefunden, dass die Disty einen Vollzugsbefehl für Costard haben …«
»Das wussten wir schon«, unterbrach DeRicci.
»… aber aus ganz anderen Gründen, als wir vermutet haben. Sie hielten sie für kontaminiert, weil sie das Skelett einer toten Frau berührt hat. Offenbar hat sie versucht, die Familie dieser Frau zu finden, um irgendeine Zeremonie abzuhalten, die nicht nur Costard, sondern auch alle anderen, die sich in der Nähe der Leiche aufgehalten haben, hätte dekontaminieren können.«
»Kontaminiert?«, fragte DeRicci. Das Wort gefiel ihr überhaupt nicht. »Wurde sie bei der Einreise denn nicht durch die Dekontaminationskabine geschleust?«
»Nicht diese Art von Kontamination«, präzisierte Nyquist. »Wir würden davon gar nichts merken. Für die Disty ist das eine religiöse Frage oder irgendein ähnlicher Unsinn. Ich habe es nicht ganz verstanden. Aber es bedeutet, dass ein Disty sich ihr nicht einmal nähern kann, weil er fürchten müsste, ebenfalls kontaminiert zu werden.«
»Ach, und wie haben sie sie dann umgebracht?«, fragte DeRicci.
Nyquist kniff die Augen zusammen und nickte. »Sehen Sie? Ich glaube, das ist die Frage, die mir Ihr ehemaliger Partner auch stellen wollte. Und die Antwort ist recht einfach. Die Disty waren nicht in ihrer Nähe. Sie haben einfach ein paar Menschen für ihre Ermordung angeheuert. Ich habe sie aufgespürt. Ich habe Aufzeichnungen von dem Zusammentreffen und der Auftragserteilung. Ich weiß sogar, wer die Mörder sind.«
»Aber?« DeRicci blickte an ihm vorbei auf die Berichte vom Mars. Sie liefen tonlos hinter ihm, und sie sah winzige Explosionen, als zwei aus der Ferne aufgezeichnete Schiffe kollidierten.
»Aber«, fuhr Nyquist fort, »ich stehe vor einem Dilemma.«
Das weckte ihre Aufmerksamkeit. Ihr Blick traf den seinen, und sie sah die Enttäuschung in seinen Augen. Enttäuschung, weil sie sich für einen Moment hatte ablenken lassen?
Sie hatte sich ablenken lassen, weil sie weit über ihre alte Position hinauszudenken hatte. Sie war kein Detective mehr, sosehr ihr die Arbeit auch fehlen mochte. Sie war die Sicherheitschefin des Mondes, und etwas an diesen Marsberichten erfüllte sie mit Sorge, und dabei ging es um mehr als um schlichte Planungsfragen.
Etwas …
»Interessiert Sie das?«, fragte er.
Ruckartig war sie wieder ganz bei ihm. »Es tut mir leid. Ja, das tut es.«
»Ich dachte, ich könnte mit Ihnen reden«, sagte er. »Ich möchte das Thema nicht im Department breittreten, solange ich noch nicht alles vollkommen verstanden habe. Sollte ich Sie aber irgendwie stören …«
»Nein«, fiel sie ihm ins Wort. »Das ist schon in Ordnung. Diese Marssache nimmt mich nur einfach zu sehr in Beschlag.«
»Sie und alle anderen auch«, sagte er.
»Ihr Dilemma«, hakte sie nun nach, während sie sich im Stillen fragte, ob sie die zart aufkeimenden Gefühle zwischen ihnen verletzt hatte. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie irgendeine heikle
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