Miles Flint 04 - Das Marsgrab
trat an ihr Fenster. Nichts hatte sich draußen verändert. Luftwagen schwebten vorüber, Gebäude sahen so unzugänglich aus wie eh und je, Leute spazierten die Bürgersteige hinunter.
Aber sie fühlte erste Kopfschmerzen, und sie war nicht sicher, was die Ursache war – der Blick auf den Wandschirm, das Gespräch mit Nyquist oder diese Unterredung mit Flint.
»Dir ist klar, dass ich das alles überprüfen muss«, sagte DeRicci.
»Dann beeil dich!«, meinte Flint. »Denn wenn irgendwelche Schiffe den Gravitationsbereich des Mars verlassen, dann werden sie auch irgendwohin fliegen, und Gott verhüte, dass das irgendwo hier ist!«
DeRicci wusste, dass Flint sich nicht gerade häufig auf Gott berief, auf irgendeinen Gott. Er schien an gar keinen zu glauben. Den Namen Gottes von Flints Lippen zu hören ließ die Lage noch beängstigender erscheinen.
»Du meinst, dass sie herkommen, nicht wahr?«, fragte sie.
»Ich meine, dass sie nicht denken«, erwiderte Flint, »und das bedeutet, dass sie sich ohne jede Vorbereitung völlig planlos auf die Schiffe flüchten könnten. Sie mögen anfänglich Kurs nach Amoma nehmen oder zu irgendeinem anderen Planeten im Heimatsystem der Disty. Aber sie werden schnell feststellen, dass sie nicht genug Treibstoff haben oder das Schiff nicht auf die notwendigen Distanzen ausgelegt ist oder dass sie nicht genug Proviant haben oder irgendetwas anderes. Und das bedeutet …«
»… dass sie hierherkommen. Verstanden.« DeRicci legte die Stirn an die dicke Kunststoffschicht. Sie war so warm wie sie selbst. »Danke für die Warnung, Miles.«
»Ich dachte, du solltest davon erfahren«, sagte er und meldete sich ab.
Er dachte, sie sollte davon erfahren. DeRicci seufzte schwer. Als könnte sie irgendetwas tun! Sie hatte einen Titel, aber keine Amtsbefugnis. Sie konnte nicht einmal den Hafen von Armstrong schließen lassen.
Wenn Flint Recht behielt, dann musste aber irgendjemand etwas tun. DeRicci würde also nur herausfinden müssen, wer dieser Jemand war.
37
D ie Unterhaltung mit DeRicci hatte Flint beunruhigt. Sie hatte sich sonderbar angehört. Und es passte nicht zu ihr, sich so ablenken zu lassen, wie sie es während des ersten Teils ihres Gesprächs getan hatte.
Dennoch hatte er getan, was er konnte. Jemand musste vor der drohenden Katastrophe gewarnt werden, und der einzige Jemand, von dem er sicher wusste, dass er ihm seine Aufmerksamkeit widmen würde, war Noelle DeRicci.
Wozu immer es gut sein würde.
Flint deaktivierte seine externen Links erneut und setzte seine Nachforschungen über seinen zentralen Schirm fort. Verschlüsselungsinformationen liefen über die Bildschirme neben ihm. Er errichtete eine weitere Sicherheitsbarriere in seinem Netzwerk, da er fürchtete, jemand könnte sein Gespräch mit DeRicci belauscht haben, wie sehr er sich auch bemüht hatte, es geheim zu halten.
Er schaltete seine Wandschirme ab. Ihm war lieber, den Verlauf der Krise nicht ständig zu verfolgen. Dann stellte er seine internen Links so ein, dass er lediglich Eilmeldungen erhielte. Außerdem sorgte er dafür, dass die Meldungen gefiltert wurden, sodass nur wirklich wichtige Meldungen zu ihm durchdrängen, nicht aber all die Dinge, die Reporter aufbauschten, um Beachtung zu finden.
Und dann machte Flint sich wieder an die Arbeit.
Durch die Klage, die die Überlebenden des Massakers gegen Mary Sue Jørgen Meister eingereicht hatten, hatte er eine Liste ihrer Namen erhalten. Neben den Namen waren auch dieAdressen und die Identifikationscodes aufgeführt, aber all diese Informationen waren über fünfzig Jahre alt. Auf die Schnelle gelang es ihm nicht, eine Liste mit Altersangaben ausfindig zu machen, aber er vermutete, dass die meisten Überlebenden mindestens dreißig bis vierzig Jahre alte Erwachsene gewesen sein mussten, als die Klage eingereicht worden war.
Menschen lebten heutzutage durchschnittlich hundertfünfzig Jahre, aber das war eben nur ein Durchschnittswert. Manche starben recht früh, andere lebten noch fünfzig Jahre länger.
Flint hatte keine Ahnung, ob die Überlebenden, die diesen Prozess angestrengt hatten, noch am Leben waren oder ob sie Kinder hatten.
Und dann war da noch das generelle Problem mit den Randkolonien.
Die Randkolonien hatten ihren Namen vor langer Zeit erhalten, einer Zeit, in der der Name noch zutreffend gewesen war. Seither war das bekannte Universum an ihnen vorbeigewachsen. Die Randkolonien hätten vielleicht jetzt besser, weil
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