Miles Flint 04 - Das Marsgrab
Sie doch falsch liegen, wer sollte es Ihnen vorwerfen?«
»Jesus!«, sagte er mit einer vor Sarkasmus triefenden Stimme. »Keine Ahnung, der Chief vielleicht?«
Genau so war DeRicci in Schwierigkeiten geraten. Aber manchmal funktionierte ihre Art, die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen. Außerdem hatte sie diese blöde Beförderung wegen ihrer ungewöhnlichen Denkweise kassiert.
»Nein, das wird sie nicht«, widersprach DeRicci. »Nicht, wenn Sie es richtig anfangen. Wenn Sie die kulturübergreifenden Verwicklungen außer Acht lassen und sagen, dass nur die Disty das Recht haben, einen Vergeltungsmord zu verüben, und dazu die Gesetze Armstrongs zitieren, die ziemlich eindeutig sind. Menschen haben nicht das Recht, anderen Menschen das Leben zu nehmen, gleich aus welchen Gründen.«
»Selbstverteidigung«, wandte er ein.
»Selbst dieser Punkt ist strittig«, entgegnete DeRicci. »Es liegt an den Anklägern zu beweisen, dass ein sofortiger Hilferuf über alle Links der gefährdeten Person nicht rechtzeitig jemanden hatte herbeiholen können, der die Person vor ernstem Schaden schützen konnte.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich hasse dieses Gesetz.«
»Ich auch«, gab DeRicci ihm Recht. »Aber Gesetz ist Gesetz, und es ist ein Gesetz, das Sie kennen. Also handeln Sie entsprechend! Wenn diese Costard von mehr als einem Menschen attackiert wurde, dann haben diese Menschen offensichtlich nicht zum Zweck der Selbstverteidigung gehandelt. Wenn überhaupt, dann hätte Costard das Recht gehabt, die Angreifer zu verletzen, aber nicht umgekehrt.«
Nyquist seufzte gepeinigt.
»Sie nehmen also diese Mörder in Gewahrsam und überlassen die Streiterei den Rechtsvertretern! Führen Sie es in Ihrem Bericht auf! Sagen Sie, Sie hätten nicht riskieren können, die Mörder laufen zu lassen – wo wäre Armstrong, wenn die Stadt von Mietkillern bevölkert wäre, selbst wenn es nur solche wären, die ein legitimes Recht haben, diesen Job auszuüben? –, und beziehen Sie sich auf das hier in der Kuppel geltende Recht. So, wie die Leute seit dem Bombenanschlag denken, kommen Sie damit auf jeden Fall durch. Und niemand wird deswegen schlecht von Ihnen denken.«
Er hatte sich zurückgelehnt, körperlich mehr Distanz zwischen ihnen geschaffen, während sie gesprochen hatte, und seine Miene wirkte verschlossen. »Sie würden das wirklich machen?«
Sie nickte.
»Erstaunlich!«, meinte er. »Kein Wunder, dass man Ihnen so gern die schrägeren Fälle zugeteilt hat.«
»Das war keine reine Freude«, sagte sie, um einen lockeren Ton bemüht.
Er setzte zu einer Antwort an, als ihre Links plötzlich rot aufblitzten. Sie hob eine Hand, erhob sich und wandte sich von ihm ab.
Was?, sendete sie, da sie nicht sicher war, ob sie die Tonübertragung nutzen sollte.
»Noelle, Miles hier.« Flints Stimme strotzte vor Selbstvertrauen. »Da ist etwas Wichtiges im Gang.«
»Und das kann nicht warten?« DeRicci hatte sich überlegt, dass sie diese Frage auch laut stellen könnte. So würde Nyquist nicht auf den Gedanken kommen, sie gäbe eine Link-Kommunikation vor, um der Diskussion ein Ende zu setzen.
»Nein«, erwiderte Flint. »Es könnte sogar schon zu spät sein. Beobachtest du die Marskrise?«
»Natürlich.« DeRicci sah sich über ihre Schulter zu Nyquist um. Er hielt den Kopf gesenkt und starrte seine gefalteten Hände an, als hätte er noch nie etwas Faszinierenderes gesehen.
»Ich habe mich gerade mit der Gerichtsmedizinerin der Saharakuppel unterhalten«, berichtete Flint. »Sie hat mich ein bisschen darüber aufgeklärt, was los ist, und das ist beängstigend, Noelle.«
»Das kann ich mir auch so denken. Und wie hast du es überhaupt geschafft, Kontakt zur Saharakuppel aufzunehmen? Die Leute hier versuchen das schon seit über einer Stunde vergeblich.«
»So ist es mir auch gegangen, aber ich habe irgendwann die offiziellen Kanäle verlassen. Ich hatte gewisse Kontaktinformationen, und die habe ich benutzt. Aber das ist nicht wichtig …«
Nyquist erhob sich. Er berührte DeRiccis Arm, worauf diese prompt den Faden verlor.
»Danke«, sagte er tonlos. »Wir reden später. Sie müssen sich jetzt bestimmt erst einmal um diese Sache kümmern.«
Sie stellte fest, dass sie ihn nicht gehen lassen wollte. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht zu warten …«
»Ich muss selbst ein bisschen nachdenken. Ich glaube, Sie liegen richtig, aber ich muss das erst selbst noch einmal durchgehen.« Er lächelte. »Danke, dass Sie sich Zeit für
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