Miles Flint 04 - Das Marsgrab
E-Reader auf den Schreibtisch, erhob sich und starrte hinüber auf die linke Wand. Der vordere Teil seines Büros war klein und sehr spartanisch möbliert – nur sein Schreibtisch und sein Stuhl –, was das Büro sogar noch kleiner wirken ließ. Aber vielleicht war auch das große Bild an der Wand dafür verantwortlich. Ki Bowles war einmal in seinem Büro gewesen, aber sie hatte dabei nicht so viel Raum beansprucht, wie es ihr aufgezeichnetes Gesicht jetzt tat.
»… aktenkundige Berichte brandmarken sie eine Person, die alles vermasselt«, berichtete Bowles soeben. »Als eine Person, die nicht imstande ist, Anweisungen Folge zu leisten oder sie zu verstehen. Verbürgt ist, dass eine Vorgesetzte von ihr sagte, sie vermassele tatsächlich jeden Einsatz, den man ihr zuteile.«
Flint berührte eine Ecke des Schirms, woraufhin der Titel der Sendung angezeigt wurde, zusammen mit der bisherigen Spielzeit. Er hatte bereits fünf Minuten des Berichts verpasst, womit nur noch eine Minute übrig blieb.
Er ließ den Schirm an, kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und berührte einen anderen Sensor auf der Unterseite des Tischs, um einen weiteren Monitor auszufahren. Dieser gehörte, im Gegensatz zu dem Wandmonitor, zu seinem Hauptsystem. Er rief die Seite von InterDome auf, suchte nach den neuesten Berichten von Ki Bowles und fand den, dem er gerade lauschte: NOELLE DERICCI: EINE ZUFALLSHELDIN?
Er lud die Datei herunter und loggte sich aus, ohne sich darum zu kümmern, dass InterDome den Ladevorgang aufgezeichnet hatte. Sollte Bowles irgendwie davon erfahren, so würde er ihr ganz einfach sagen, er habe sich vergewissern wollen, dass sie nichts von der gemeinsamen Unterhaltung genutzt habe.
Und jetzt, nachdem er den Bericht dreimal angesehen hatte, brach ihm der Inhalt förmlich das Herz. DeRiccis Werdegang war eine holprige Angelegenheit gewesen, eine, von der Flint geglaubt hatte, ihre Vergangenheit läge nun, nach all den Beförderungen und mit der neuen Position als Leiterin der Mondsicherheit, endgültig hinter ihr.
Doch offensichtlich sah Bowles in DeRicci eine lohnende Story, vielleicht sogar einen Karrierekick. Und da konnte es nicht schaden, dass Bowles die Aussage von DeRiccis ehemaliger Vorgesetzten, Andrea Gumiela, aufgezeichnet hatte, DeRicci habe jede Menge Einsätze vermasselt.
»Wir waren alle überrascht, als sie im Zuge des Mondmarathons endlich zu sich selbst gefunden hat«, ließ sich Gumiela vernehmen.
Sie trug ein bisschen zu viel Make-up und hatte anscheinend einige Modifikationen vornehmen lassen, um jünger auszusehen. So hübsch jedenfalls hatte sie nie ausgesehen, als Flint noch für sie gearbeitet hatte.
»Wenn Sie sie für einen so schlechten Detective gehalten haben«, fragte Bowles außerhalb des Kamerawinkels, »warum haben Sie sie dann in der Truppe behalten?«
Die Frage schien Gumiela keineswegs zu beeindrucken. Stattdessen lächelte sie, als hätte sie genau damit gerechnet. »Noelle ist brillant, sehr engagiert und besitzt innere Stärke. Diese Eigenschaften brauchen wir bei unseren Beamten. Und das war ihr erster Posten. Wie es scheint, schlägt ihr Herz aber nicht so sehr dafür, Verbrechen aufzuklären, sondern dafür, Verbrechen zu verhindern.«
Als sie das Interview gegeben hatte, hatte Gumiela vermutlich geglaubt, sie würde DeRicci einen Gefallen erweisen. Flint nahm an, dass es noch weit mehr Aussagen dieser Art gab, Aussagen, die, im Kontext betrachtet, positiv für DeRicci ausfielen. Aber Bowles benutzte nur Ausschnitte dieses scheinbar recht langen Interviews, angereichert mit Videoberichten und vertraulichen Memos über DeRiccis Leistungen im Dienst, die irgendjemand, mutmaßlich Gumiela selbst, hatte nach außen dringen lassen.
Dabei wurde DeRicci im Großen und Ganzen dargestellt wie die größte Versagerin, die je dem Police Department von Armstrong angehört hatte. Außerdem erweckte der Bericht den Eindruck, als habe die Generalgouverneurin mit DeRiccis Ernennung zur Leiterin der neuen Sicherheitsbehörde der Vereinigten Mondkuppeln einen gewaltigen Fehler begangen.
DeRicci hatte den Amtseid in ihrer neuen Eigenschaft als Leiterin der Mondsicherheit erst gestern abgelegt. Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, mehr zu tun als eine Dankesrede zu halten, bis Bowles’ Nachrichtenattacke gegen sie veröffentlicht worden war.
Flint war erleichtert, dass Bowles seine Worte an dem Tag der Pressekonferenz, bei der sie sich begegnet waren, nicht genutzt hatte, nicht
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