Miles Flint 04 - Das Marsgrab
den Vibrationsalarm abgeschaltet, aber die Monitore arbeiteten noch. Ihr Gesicht sah in dem Gebäudeüberwachungsschirm unnatürlich groß aus, als sie offenbar nach einem Hinweis auf den Nutzer des Hauses suchte.
Ihr Blick verweilte wie der der meisten Leute bei der Plakette, die die historische Bedeutung des Hauses für die Stadt Armstrong beschrieb. Dann sah sie gleich darunter ein winziges Schild, welches verriet, dass dieses Haus das Büro eines Lokalisierungsspezialisten beherbergte.
Für einen Moment schloss sie die Augen, so als wäre sie furchtbar erschöpft oder extrem enttäuscht, ihn gefunden zu haben. Dann atmete sie tief durch, schlug die Augen auf und klopfte.
Er speicherte die Informationen, die er über sie zusammengetragen hatte, und schaltete die Überwachungsmonitore ab. Den Wandschirm ließ er an, schaltete aber den Ton aus und legte den E-Reader auf den Schreibtisch, sodass es aussah, als hätte er damit gearbeitet. Dann schob er die Tastatur zurück an ihren Platz unter der Tischplatte.
Seine Besucherin klopfte erneut.
»Es ist offen«, rief er, auch wenn das einen Moment zuvor noch nicht der Fall gewesen war.
Der Knauf drehte sich, und sie trat ein, zögerte aber noch auf der Schwelle, als ihre Links abgeschaltet wurden. Die meisten Leute hatten Zugriff auf irgendwelche Informationssysteme, die sie ständig mit Neuigkeiten versorgten, und sie pflegten diese Möglichkeit so ausdauernd zu nutzen, dass sie sich längst an die beständig über ihr Blickfeld kriechenden Mitteilungen oder die leise Stimme, die unentwegt in ihrem Kopf leierte, gewöhnt hatten.
Eine Hand voll von Flints potenziellen Klienten hatte in demMoment, in dem ihre Links abgeschaltet worden waren, die Flucht ergriffen.
»Das müssen Sie nicht tun.« Ihre Stimme war sanft, sehr melodisch, und der tiefe Klang verblüffte Flint. »Ich bin eine Klientin.«
»So verfahre ich mit jedem. Die einzigen Systeme, die in meinem Büro aktiviert sind, sind meine eigenen.« Er war nicht aufgestanden. Es gehörte zu seiner Art von Arbeit, potenzielle Klienten zu verunsichern, auf dass sie darauf verzichteten, ihn anzuheuern.
Einen Lokalisierungsspezialisten anzuheuern brachte den Verschwundenen üblicherweise in Gefahr. Flint bearbeitete zumeist Fälle, in denen er der Ansicht war, dass der Verschwundene so oder so bald gefunden würde, dass er begnadigt worden war oder bereits in neuen Schwierigkeiten steckte. Fälle, bei denen Flint die erste Suche nach einem Verschwundenen durchführen sollte, übernahm er nur selten.
Die Frau hatte immer noch den Knauf der offenen Tür in der Hand, als hätten ihre Muskeln zusammen mit ihren Links die Arbeit eingestellt.
»Wenn Ihnen die Stille nicht zusagt, können Sie jederzeit gehen«, bemerkte Flint. »Anderenfalls schließen Sie die Tür! Ich habe hier viele prekäre Informationen, die ich nicht gehackt sehen möchte. Je länger Sie diese Tür offen halten, desto mehr bringen Sie Personen in Gefahr, die Sie nicht einmal kennen!«
Sie erschrak, als wären seine Worte ihr peinlich, und drückte die Tür ins Schloss. Dann wischte sie sich die Hände an der eng sitzenden Hose ab.
»Sie sind Miles Flint?«, fragte sie.
»Das steht auf dem Schild.«
Sie trat einen Schritt auf ihn zu. »Sie sind der achte Lokalisierungsspezialist, mit dem ich spreche, und der Einzige, der so abweisend und ruppig ist.«
»Tut mir leid, das zu hören«, sagte er. »Sie sollten alle vorsichtiger sein.«
Er fragte sich, warum sie bereits bei acht anderen Lokalisierungsspezialisten gewesen war, aber er würde sie nicht darauf ansprechen. Er hatte in den letzten paar Jahren in diesem Job gelernt, dass seine Neugier ihn oft zu Fällen führte, die er besser nicht übernommen hätte.
»Sie sind absichtlich so ruppig?«, fragte sie.
»Die Vorstellung, ich wäre in gesellschaftlicher Hinsicht so unbeholfen, dass ich versehentlich ruppig aufträte, behagt mir gar nicht.« Er verschränkte die Arme und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
Ihr Gesicht war ausgesprochen anziehend. Die Augen waren dunkel, die Haut wie Milchschokolade. Sie hatte runde Wangen und eine Stupsnase, die einen sonderbaren Kontrast zu ihren vollen Lippen bildete. Und was für sich betrachtet vielleicht nicht sonderlich reizvoll war, offenbarte echte Anziehungskraft in der Kombination.
»Ich verstehe das nicht«, sagte sie. »Sie verdienen schließlich mit anderen Leuten Ihr Geld.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich brauche das Geld nicht.
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