Miles Flint 04 - Das Marsgrab
sich die Untergetauchten, ehe der jeweilige Lokalisierer Gelegenheit dazu hatte. Dann sammelten sie ihre Prämie ein und wandten sich dem nächsten Fall zu.
Kopfgeldjägern war es egal, wem sie einen Untergetauchten übergaben. Flint und die meisten anderen Lokalisierungsspezialisten hingegen würden alles in ihrer Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass kein Untergetauchter von jemandem gefunden wurde, der eine Bedrohung für diesen darstellte.
Die öffentlichen Informationsquellen über wichtige Untergetauchte wurden häufig von eben den Regierungsstellen überwacht, die hinter ihnen her waren. Manchmal hinterließ ein Lokalisierer Spuren, die diesen Behörden verrieten, dass ein Untergetauchter noch am Leben war, dass er vielleicht nach Hause zurückkehren würde oder gerade wieder in Bewegung war.
Flint war immer vorsichtig, nicht nur wegen der Kopfgeldjäger und der außerirdischen Regierungsstellen, sondern auch, weil ihm bewusst war, dass das Ausgraben alter Informationen auch alte Animositäten zu neuem Leben erwecken konnte. Selbst wenn der Untergetauchte nie gefunden wurde, mochten die Streitigkeiten, die ihn zur Flucht veranlasst hatten, wieder aufleben und andere – Familienangehörige, Freunde, sogar Geschäftspartner – im nachfolgenden Kreuzfeuer zu Schaden kommen.
Vermutlich stellte es in diesem Fall kein Problem dar, die Datensätze aufzurufen, da Jørgen bereits tot war. Aber auch hier waren noch andere Personen betroffen – Jørgens von der Bildfläche verschwundene Kinder und vielleicht auch noch andere Familienmitglieder, die nicht auf dem Mars lebten. Flint hoffte, dass diese Menschen trotz der Nachforschungen, die Costard bereits im Vorfeld angestellt hatte, unbehelligt und unbemerkt geblieben waren.
Für seinen ersten Vorstoß zur Erkundung des Falles Jørgen suchte Flint die Hauptbibliothek auf dem Campus von Armstrongs Kuppeluniversität auf. Die Bibliothek verfügte in allen Arbeitskabinen über Netzzugänge, und diese nutzten die Universitätskennung, um Zugriff auf Informationen zu gewähren.
Flint hatte über die Jahre mehrere studentische Kennzahlen gesammelt, die er abwechselnd nutzte. Außerdem erneuerte er seine Sammlung von Zeit zu Zeit, damit niemand über diese Kennzahlen auf seine Spur kommen konnte.
Die Bibliothek befand sich genau in der Campus-Mitte. Das Gebäude war rechteckig und eines der wenigen Häuser in der ganzen Stadt, das keine Fenster hatte. Ursprünglich war es erbaut worden, um seltene Bücher unterzubringen – echte Druckwerke, von denen viele auf den Mond gelangt waren, nachdem die ursprünglichen Siedler die Kolonie Armstrong gegründet hatten. Die Bücher waren Geschenke, ein Symbol dafür, dass die Stadt krisensicher bleiben und imstande sein würde, mit solch esoterischen und kostbaren Dingen wie Papierdruckwerken umzugehen.
Aber im Lauf der Zeit hatte die Universität erkannt, dass sie nie genug Bücher erhalten würde, um dieses große Gebäude zu füllen. Die Studenten hingegen benötigten einen Platz, an dem sie gemeinsam lernen konnten, und die Cafés der Umgebung, die nicht der Kontrolle der Universität unterlagen, boten nicht die Ruhe, die die Studenten brauchten.
Die meisten öffentlichen Netzzugänge waren außerdem kostenpflichtig. Studenten, die nicht genug Geld für ein gutes eigenes Netzwerk hatten, das es ihnen gestattet hätte, öffentliche Anschlüsse zu nutzen, wo immer sie gerade waren, hatten auch nicht genug Geld, um die exorbitanten Gebühren aufzubringen, die diese Stellen für den Netzzugang verlangten.
Folglich übernahm die Universität die Gebühren in der Bibliothek für alle Nutzer, die sich als Studenten identifizieren konnten. Aber darum, Geld zu sparen, ging es Flint nicht. Es ging um die Identifizierungscodes. Also spendete er dem Bibliothekssystem der Universität Jahr für Jahr große Summen Geldes und erschnorrte sich im Gegenzug studentische Identifikationsdaten, um diese als seine eigenen auszugeben.
Er bevorzugte eine Arbeitskabine im ersten Stock, dem Geschoss, in dem sich die Hauptabteilung der Bibliothek befand. Hier arbeiteten die Studenten still an Touchscreens, machten sich Notizen und klimperten schweigend auf ihren Tastaturen herum, während sie lernten, ihre Gedanken in Schriftform zu bringen.
Außerdem gab es im ersten Obergeschoss einige Bücher, die sicher in deckenhohen, durchsichtigen Plastikkästen verwahrt wurden. Die Kästen waren zudem mit einem besonderen Abschattungssystem
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