Miles Flint 04 - Das Marsgrab
verstehe, was Sie mir gesagt haben, und ich werde Ihr Bild nicht verwenden – es sei denn, Sie tun öffentlich etwas, das eine Meldung wert wäre.«
Er atmete langsam und leise ein, sodass sie ihm nicht ansehen konnte, welche wütende Entgegnung er soeben mühsam zurückgehalten hatte.
»Die Tatsache, dass ich zum Mittagessen hierhergekommen bin, ist keine Meldung wert«, sagte er. »Obwohl ich es interessant finde, dass Sie zu einem geschäftlichen Treffen eine Drogenbar aufsuchen. Hat van der Ketting irgendein Problem? Oder versuchen Sie nur, ihm die Zunge ein wenig zu lösen?«
»Sie sind ein sehr misstrauischer Mann«, meinte Bowles. »Es gibt Gutes in der menschlichen Seele.«
»In manchen.« Flint sah betont an ihr vorbei. Van der Ketting hatte den Raum inzwischen einen Schritt weit betreten, sah aber immer noch nervös aus. »Sie sind Ihrem Gast gegenüber ziemlich unhöflich.«
»Ich bin sicher, er hätte nichts dagegen, wenn Sie sich zu uns gesellen würden«, meinte Bowles.
Flint musterte sie eingehend. Ihr Haar hatte heute silberne Spitzen, und ihre ganze Erscheinung verriet die außergewöhnliche Sorgfalt, die Bowles auf ihr Äußeres verwendet hatte, aber unter ihren Augen zeigten sich Ringe, die nur von einem Mangel an Schlaf stammen konnten.
»Ich bin sicher, Sie hätten nichts dagegen«, sagte Flint. »Aber was van der Ketting betrifft, so bezweifle ich, dass er gerade erfreut über die Art ist, in der Sie seine Zeit vergeuden. Ist es das, worum es Ihnen geht? Versuchen Sie, ihn wütend zu machen, um ihm ein paar gute zitierbare Bemerkungen zu entlocken?«
Bowles’ Augen funkelten. »Was um Himmels willen haben Sie eigentlich gegen mich?«, fragte sie und ahmte dabei den Tonfall nach, den er zuvor benutzt hatte.
Er beschloss, ihre kokette Frage nicht in gleicher Weise zu beantworten. Stattdessen sagte er die Wahrheit.
»Ich habe nichts gegen Sie, Ki. Nichtsdestoweniger denke ich, dass Sie eine der gefühllosesten Personen sind, die ich je getroffen habe, und ich glaube nicht, dass das ein guter Zug an einem Menschen sein kann, der Nachforschungen über andere anstellt, ob dieser andere Mensch nun ein Cop ist, ein Lokalisierungsspezialist oder ein Reporter. Und jetzt lassen Sie mich mein Mittagessen beenden!«
Sie nahm sich eine Scheibe Brot. Das Lächeln klebte immer noch in ihrem Gesicht. Aber es hatte seine Lebendigkeit vollends verloren.
»Eines Tages werden Sie merken, dass ich nicht so schlimm bin!«, verkündete sie und ging zurück zu van der Ketting. Flint sah aus dem Augenwinkel zu, wie die beiden im Korridor verschwanden.
Ihm gefiel nicht, was Bowles tat, aber er wusste nicht, wie er sie aufhalten sollte.
Er war sich nicht sicher, ob überhaupt irgendjemand dazu imstande wäre.
21
S ie wurde verfolgt. Sie wusste es nun schon seit Stunden, und sie war überzeugt, dass es keine Einbildung war.
Aisha Costard saß auf der Kante ihres zu weichen Betts in ihrem kistenförmigen Hotelzimmer. Der Raum hatte Schirme an allen vier Wänden. Costard ließ diese zumeist deaktiviert, bis auf den einen Schirm, auf dem beständig ein Programm lief, das zeigte, wie Wasser über Felsen in einen Hochgebirgssee strömte.
Das Plätschern des Wassers sollte besänftigend wirken. Aber Costard war nicht besänftigt. Und sie bildete sich gern ein, es läge nur daran, dass das Geräusch künstlich erzeugt wurde.
Aber daran lag es nicht.
Sie hatte Heimweh, so sehr, dass sie kaum atmen konnte. Sie liebte Madison, liebte die Universitätsstadt, die auf einer Landenge hingeschmiegt lag, liebte die Seen der Stadt, ihre Geschichte und das Wetter.
Costard liebte den Wind.
In Armstrong gab es keinen Wind. In all diesen überkuppelten Siedlungen, die sie in den letzten paar Wochen gesehen hatte, gab es keinen Wind. All die Werbeprospekte, die sie in dem Hotelzimmer vorgefunden hatte, hatten ihr erzählen wollen, die Kuppel täte ihr Bestes, um irdische Umgebungsbedingungen nachzuahmen.
Nur hatten sie den Wind vergessen und den Regen und die Feuchtigkeit und den Schnee und dieses wunderbare Gefühl der Überhitzung, das durch zu viel Sonnenlicht entstand.
Costard barg das Gesicht in den Händen. Sie wurde verfolgt.
Sie wurde beobachtet. Womöglich schon, seit sie in Armstrong angekommen war, ganz sicher aber, seit sie die Schlepper-Organisation aufgesucht hatte.
Folgten die ihr, um herauszufinden, warum Costard ihre Dienste abgelehnt hatte? Um herauszufinden, ob sie irgendeiner Behörde
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