Miles Flint 05 - Paloma
Flint nicht sagen, wie er in die Reihe der anderen Dateien passte.
Es dauerte noch eine weitere Stunde, bis Flint erkannte, dass Paloma alle Firmendaten der letzten fünf Jahre vor ihrem Ausscheiden aus der Kanzlei mitgenommen hatte. Aus der Zeit davor waren nur ihre eigenen Dateien vorhanden. Aber über den Zeitraum dieser letzten fünf Jahre hatte sie jede einzelne Datei gespeichert, die bei WSX angelegt worden war.
Warum? Erpressung?
Er konnte es nicht sagen. Nicht anhand der Daten, die er vor sich hatte. Er fragte sich, ob die Geisterdateien, die er von seinem eigenen Computersystem heruntergeladen hatte, ehe er es neu aufgebaut hatte, ihm eine Antwort liefern konnten. Etwa ein Jahr, nachdem Paloma ihm ihr Büro überlassen hatte, hatte er herausgefunden, dass sie das System nur unzureichend gesäubert hatte. Die meisten Akten aus ihrer Zeit als Lokalisierungsspezialistin waren immer noch im Computer, es war nur nicht einfach, sie zu öffnen.
In jener Zeit war er einer strengeren ethischen Leitlinie gefolgt. Er hatte die Dateien gesichert und die Maschine gesäubert.
Er hatte sie überhaupt nicht ansehen wollen.
Jetzt aber wollte er sie sich anschauen.
Andererseits war ihm klar, dass eine Rückkehr in sein Büro auch eine Art von Selbstmord darstellte. Er hatte nicht gelogen, als er van Alen gesagt hatte, er wäre zumindest für einige Zeit verdächtig.
Und das Letzte, was er wollte, war, als Verdächtiger unter Arrest gestellt zu werden, denn dann wäre es ihm nicht mehr möglich, irgendetwas herauszufinden.
Er seufzte und führte eine kurze Suche durch, um festzustellen, ob irgendeiner der Dateien die numerische Kennzeichnung fehlte. Das war nicht der Fall.
All diese Dateien stammten von WSX. Alle.
Hatte Paloma womöglich auch nach Kräften versucht, diese Dateien so vollständig wie möglich aus den Systemen von WSX zu löschen? Und falls sie das getan hatte, hatte sie es dann besser gemacht als im Lokalisierungsbüro?
Oder hatte sie eben diese Geisterdateien in den Geräten, die sie Flint verkauft hatte, bewusst hinterlassen, damit er sie finden konnte?
Falls sie WSX all diese Daten gestohlen und deren Geräte gesäubert hatte, wie hatte die Kanzlei dann überleben können?
Er hatte nie gehört, dass irgendeine Kanzlei ihre Daten verloren hätte, aber dergleichen würde auch kaum veröffentlicht werden, nicht einmal über die Kanäle, die dem Police Department zur Verfügung standen. Ein solcher Vorfall würde Dutzende zu jener Zeit aktuelle Fälle zum Scheitern verurteilen und etliche andere in ein fragwürdiges Licht rücken.
Und es hätte die Reputation von WSX zerstört.
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte stirnrunzelnd den Bildschirm. Nach allem, was er sah (und, zugegeben, er sah bei Weitem nicht alles), gab es keinerlei Daten aus Palomas Zeit nach ihrer Laufbahn als Anwältin. Sie war als Kopfgeldjägerin zu WSX zurückgekehrt, falls er ihren Worten Glauben schenken durfte, und danach war sie Lokalisierungsspezialistin geworden.
Hatte sie damals Kopien der Dateien mitgenommen? Und falls sie es getan hatte, was war so wichtig an diesen Daten, dass sie sie aufbewahrt hatte?
Oder hatte sie nur wenige Dateien kopiert?
Oder gar keine?
War sie deswegen zurückgekehrt, um für ihre alte Firma zu arbeiten?
Flint erhob sich, fühlte sich von all dem überwältigt. Nur zu gern hätte er Paloma eine Botschaft geschickt. Es wäre so viel einfacher, könnte er sie einfach fragen, was das alles zu bedeuten hatte.
Doch das konnte er nicht.
War sie enttäuscht gewesen, weil er sie nicht nach den Daten gefragt hatte, die er damals auf seinen eigenen Computern vorgefunden hatte? Oder war das alles nur eine Art Zufall gewesen? War es womöglich das, was ihr durch den Kopf gegangen war, als sie die holografische Aufzeichnung angefertigt hatte?
Er wusste es nicht.
Der Zeitdruck machte ihm zu schaffen, und er hatte keine Ahnung, wie er herausfinden sollte, welche Informationen wichtig waren und welche nicht.
»Verdammt«, flüsterte er und verschluckte sich beinahe. Er hatte nicht die Absicht gehabt, das Wort auszusprechen.
Doch van Alen sah aus, als verlöre sie sich noch immer gänzlich in ihrem Schauspiel, ihrem Wein und ihrer Entspannung. Wären ihre Augen nicht offen und in Bewegung gewesen, hätte er angenommen, sie schliefe.
Er setzte sich wieder.
Er musste sich dieser Angelegenheit auf zwei Arten annehmen: Zuerst musste er sich die neuesten Dateien ansehen; und dann
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