Miles Flint 05 - Paloma
Teebeutel (gefüllt mit echtem Tee aus Indien auf der Erde) hineinhängen – fühlte sich, so geringfügig sie sein mochte, einfach gut an.
Sie fühlte sich produktiv an.
Sie fühlte sich real an.
So wie jetzt das Sitzen in ihrem Büro, die Beine hochgelegt, den dampfenden Teebecher neben sich auf dem Tisch, während vor ihr Informationen über den Bildschirm wanderten. Hinter ihr liefen einige heruntergeladene Videos, die andere Reporter von anderen Teilen des Mondes zeigten, die einmal ähnliche Storys gebracht hatten.
Storys über die Geschichte der Lokalisierungsspezialisten.
Sie hatte sogar gespeicherte Vorlesungen von Wirtschaftsprofessoren, Kriminologen und Wirtschaftshistorikern entdeckt, die sie sich alle ansehen wollte, sobald sie die Story auf den Weg brachte.
Aber zuerst brauchte sie handfeste Informationen. Sie rief die bekannteste Lexikonseite im Netz von Armstrong auf (sie wollte sich den Kopf nicht mit den verschiedenen Darstellungen innerhalb der Allianz oder auch nur in den verschiedenen Städten des Mondes vollstopfen) und überflog sämtliche Einträge über Lokalisierungsspezialisten, die sie finden konnte, von Videos über schriftliche Berichte bis hin zu kindgerechten Reportagen.
Sie wollte herausfinden, wie die Lokalisierungsspezialisten im Allgemeinen überhaupt hatten aufkommen können, und da allgemein davon ausgegangen wurde, dass sie sich in legalen Grenzbereichen bewegten, wollte sie auch herausfinden, wie sie es geschafft hatten, nicht nur im Geschäft zu bleiben, sondern auch noch erfolgreich zu sein.
Das Lexikon konnte diese Fragen nicht beantworten, aber es konnte ihr einen Anhaltspunkt für weitere Nachforschungen liefern.
Sie grub weiter, ging sämtliche Dateien durch, genoss die schlichte Suche nach Informationen, fühlte, wie ihr Gehirn zu neuem Leben erwachte.
Ihr war nie bewusst gewesen, wie sehr sie ihren Job hassen gelernt hatte.
Und bis zu diesem Moment war ihr auch nie bewusst geworden, wie sehr sie sich mit genau diesem Job identifiziert hatte.
Was bedeutete, dass sie sich schließlich selbst gehasst hatte.
38
F lint erzielte erste Erfolge bei der Entschlüsselung des numerischen Systems. Die ersten sieben Ziffern stellten eine Vorgangsnummer dar, die nächsten vier standen für ein Jahr. Die letzten zwei Stellen bezogen sich auf den leitenden Anwalt, bei dem es sich entweder um denjenigen handelte, der das Verfahren eingeleitet hatte, oder um den, dessen Name auf der Rechnung stand.
Er widerstand der Versuchung, sich zu van Alen umzuschauen, die von Pizza und Eiskaffee zu einem Glas Wein und der Entspannung auf ihrer Couch übergegangen war. Sie sah aus wie eine Frau, die irgendein Schauspiel heruntergeladen hatte und es über ihre Links betrachtete statt über einen Bildschirm.
Sie wirkte entspannt.
Er widmete sich wieder den Dateien. Die ältesten stammten überwiegend aus Palomas aufgegebener Anwaltslaufbahn. Sie waren angefüllt mit Details – offizielle Schreiben, Kontoauszüge, Videoaufzeichnungen von vertraulichen Besprechungen und/oder Echtzeitprotokolle eben dieser Besprechungen. Jede Datei enthielt hundert oder mehr Einträge, alle extrem knapp gehalten, alle aufeinander aufbauend.
Und wenn der Fall in irgendeiner Form zur Verhandlung gekommen war, dann verzweigte sich die Datei in einen Quell weiterer Dateien, von denen manche von WSX, andere von anderswo stammten. Und bei denen, die von anderswo stammten, handelte es sich zu einem großen Teil um Polizei- und Strafakten. Offensichtlich hatte Paloma den größten Teil ihrer Zeit als Anwältin, als Strafverteidigerin zugebracht.
So faszinierend diese Akten für Flint waren, schienen sie doch zu alt zu sein, um irgendwie von Bedeutung zu sein. Andererseits war ihm bewusst, dass das ein vorschnelles Urteil war. Aber er hatte so wenig Zeit, vielleicht noch weniger als den Tag, den er van Alen gegenüber kalkuliert hatte.
Die alten Palomaakten waren jedoch auf eine andere Weise hilfreich. Sie halfen ihm, das numerische System zu entschlüsseln. Zuerst erkannte er die Vorgangsnummern. Dann, als er eine Datei öffnete, die überhaupt nicht mit Palomas Namen gekennzeichnet war, stolperte er über die Bedeutung der letzten zwei Ziffern.
Claudius Wagner hatte diese Datei angelegt, und der Aufbau stimmte mit dem der anderen alten Dateien überein, die Flint in dem numerischen Verzeichnis vorgefunden hatte.
Auch dies war ein Strafverteidigungsfall, und wenngleich er interessant war, konnte
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