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Miles Flint 05 - Paloma

Miles Flint 05 - Paloma

Titel: Miles Flint 05 - Paloma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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er. »Darf ich mich setzen?«
    »Nur zu«, sagte van Alen. »Stört es Sie, wenn ich auf den Beinen bleibe?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, trat sie an ihren Schreibtisch und lehnte sich an die Tischkante, genauso, wie bei dem ersten Gespräch mit Flint. Offenbar war das eine Haltung, die sie einzunehmen beliebte, wenn ein potentieller Klient sie nervös machte.
    »Welchem Umstand verdanken wir diesen Besuch?«, erkundigte sie sich.
    Nun sah Wagner Flint an. »Mein Bruder hat beschlossen, Sie zu hassen.«
    Eine interessante Wortwahl. Mit dem Fuß hangelte Flint den Stuhl, auf dem er den größten Teil der Nacht verbracht hatte, unter dem Schreibtisch hervor und machte es sich bequem. »Ihr Bruder sollte klug genug sein, sein Urteilsvermögen nicht durch seine Gefühle beeinträchtigen zu lassen.«
    »Sie kennen meinen Bruder nicht, Mr. Flint«, sagte Ignatius. »Der schüchtert noch die skrupellosesten Leute ein.«
    Leute, die nicht davor zurückschreckten, skrupellose Personen einzuschüchtern, waren üblicherweise leichtsinnig, doch das behielt Flint für sich.
    »Sind Sie wegen Mr. Flint hier, oder wollen Sie mich sprechen?«, fragte van Alen.
    »Sie beide, denke ich«, sagte Ignatius.
    Van Alen sah Flint an. »Sie wissen, dass Mr. Flint kein Jurist ist.«
    Ignatius nickte. »Und ich weiß auch, dass Mr. Flint keiner Schweigepflicht unterliegt. Ich hoffe, er wird, ebenso wie Sie, in mir einen potentiellen Klienten sehen, sodass wir darüber hinausgehende rechtliche Belange nicht weiter berücksichtigen müssen.«
    Ignatius war Jurist und ein guter dazu. Nicht so gut wie sein Bruder, aber das galt, wie Flint sich erinnerte, für die meisten Berufskollegen der Wagners.
    »Sehen Sie sich imstande, dieses Gespräch vertraulich zu behandeln, Miles?«, fragte van Alen.
    Er war nicht sicher. »Sie sind kein Klient, und Ihr Bruder hat gedroht, mich zu verklagen. Ich bin nicht überzeugt, dass es in meinem Interesse wäre, mit Ihnen zu sprechen.«
    Ignatius schenkte ihm ein vages, beinahe reumütiges Lächeln. »In der Welt, in der mein Bruder lebt, hätten Sie vollkommen Recht. Es wäre nicht in Ihrem Interesse. Aber ich bin nicht er. Meine Mutter hat Ihnen vertraut. Sie hat geglaubt, dass Sie all die Dinge tun könnten, die sie nicht tun konnte. Ich habe sogar den Verdacht, dass sie Sie mehr geliebt hat, als sie je einen von uns geliebt hat.«
    »Mr. Wagner«, mahnte van Alen. »Ich möchte Sie daran erinnern, dass dieses Gespräch bisher nicht den Geboten der Vertraulichkeit unterliegt.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Es ist nur so, dass ich Sie beide sprechen muss.«
    Flint ließ sich noch tiefer in seinen Stuhl sacken und gab sich weitaus entspannter, als er in Wirklichkeit war.
    Ignatius sah ihn an. Seine runden Wangen bebten, als verberge er Gefühle, die so stark waren, dass sie ihn innerlich auffraßen.
    Van Alen seufzte. »Warum sind Sie hier?«
    Ignatius drehte sich wieder zu ihr um. »Weil Sie die einzigen mir bekannten Personen sind, die mir helfen können, von hier zu verschwinden.«

 
55
     
    D ie Kanzlei von Wagner, Stuart und Xendor belegte eines der ältesten Gebäude von Armstrong, doch anders als die meisten anderen alten Häuser der Stadt war dieses sorgsam instandgehalten worden. Es befand sich direkt im Zentrum – was einst zugleich der Stadtrand gewesen war –, und es war eines der ersten Gebäude, die aus Mondziegeln erbaut worden waren. Die Ziegel selbst erinnerten eher an Steinblöcke, große, von Menschen gemachte und aufeinandergestapelte Mauersteine, die den Eindruck verstärkten, dass das Gemäuer (und, im übertragenen Sinne, seine Nutzer) äußerst gewichtig waren.
    Nyquist war Hunderte von Malen an dem Gebäude vorbeigekommen, hatte es aber noch nie betreten. Tatsächlich hatte er es zum ersten Mal im Zuge des Geschichtsunterrichts in der Highschool zu sehen bekommen. Der Lehrer hatte alle Schüler zu einem Rundgang durch Armstrong mitgenommen, um ihnen die historischen Wahrzeichen der Stadt zu zeigen.
    An dieses Wahrzeichen erinnerte er sich gut, was zum Teil daran lag, dass das Gebäude im Stil alter Erdenarchitektur erbaut worden war, eine Bauweise, die auf dem Mond niemand für durchführbar gehalten hatte, und zum Teil daran, dass es einmal das City Center gewesen war. Vierzig Jahre nach seiner Erbauung durch einen der ersten Bauunternehmer des Mondes, der beweisen wollte, dass solide Gebäude dauerhaft in dieser seltsamen Umgebung existieren konnten, hatte die Stadt das Haus

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