Miles Flint 05 - Paloma
Lost Seas für verflucht? Nyquist hatte Schwierigkeiten, diese Information zu verarbeiten. Er hatte schon einige merkwürdige Dinge in seinem Leben gehört, aber weshalb man ein Schiff aufgrund eines Fluches unter Quarantäne stellen sollte, wollte ihm nicht einleuchten.
Er setzte seinen Teller ab, auf dem noch der größte Teil der sich windenden Nudeln samt der pfeffrigen Soße lag, und stand auf, vor allem, weil er sich zu verwirrt fühlte, um ruhig sitzen zu bleiben.
»Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte er DeRicci.
»Guten, alten Detective-Kaffee?«, fragte sie.
»Ja«, sagte er.
»Ob Sie es glauben oder nicht«, entgegnete sie lächelnd, »ich vermisse das Schmutzwasser.«
Er glaubte es nicht. Niemand konnte Kaffee vermissen, der aus Hybridbohnen gebraut wurde, die im billigsten Abschnitt der Gewächsgruben angebaut und dann gemahlen und mit irgendwelchem anderen Zeug vermischt wurden, bei dem es sich – ausgehend von dem Geschmack – vermutlich um Mondmehl handelte.
Trotzdem trank er das Zeug, als wäre es so unverzichtbar wie Wasser. Und vielleicht war es tatsächlich so unverzichtbar geworden. Er wusste es wirklich nicht. Möglicherweise würde auch er danach lechzen, wenn – falls – er aus dem Polizeidienst ausschied.
Er kramte zwei saubere Becher hervor (er hoffte, dass sie sauber waren, sie sahen sauber aus) und verteilte den Rest der letzten verbliebenen Kanne auf die Becher. Dann stellte er alle drei Kannen zurück in ihre Maschinen und drückte auf den Startknopf, eine einfache Prozedur, die durchzuführen im ganzen Department aber offenbar niemand außer ihm je gelernt hatte.
Er verließ den Raum, noch ehe das Gebräu zu Ende gebrüht war. Wer auch immer glaubte, der Kaffee rieche faulig, wenn er lauwarm war, hatte nie bewusst erlebt, wie das Zeug roch, wenn es frisch in die Kanne lief.
DeRicci nahm die dargebotene Tasse lächelnd entgegen, umfasste sie mit beiden Händen und nahm einen tiefen Atemzug. Dann hustete sie.
»Gott, so scheußlich wie eh und je«, sagte sie.
»Sie wollten es so.«
Wieder lächelte sie. »Ich muss mich einfach manchmal daran erinnern, dass mein derzeitiger Job bessere Leistungsanreize zu bieten hat als mein alter.«
»Ihr derzeitiger Job scheint nicht so schlecht zu sein«, bemerkte er.
Ihr Lächeln verblasste. »Wussten Sie, dass keine der Kuppeln ein Evakuierungsprogramm für den Fall eines Kuppelrisses aufgestellt hat? Keine ernsthaften Pläne für den Fall einer Epidemie oder eines Anschlags mit Biostoffen? Jeder denkt, die Kuppelwände würden ihn schon schützen, aber die Hälfte der Kuppeln hat nicht einmal isolierte Umweltkontrollsysteme, was bedeutet, dass eine Kontamination auf der Ostseite einer dieser Kuppeln automatisch auch auf die Westseite übergreifen muss.«
Er nahm die Teller, nicht überzeugt, dass er noch irgendetwas darüber hören wollte. »Ich wusste nicht, dass Sie sich um die Kuppelsicherheit zu kümmern haben.«
»Ich habe mich um alles zu kümmern«, sagte sie. »Anfangs schien es sich um eine Art Ratgeberposten zu handeln, obwohl niemand so recht wusste, was eigentlich von diesem Posten erwartet wurde. Aber während der Disty-Krise wurde deutlich, dass irgendjemand im Notfall Entscheidungen für den ganzen Mond treffen können muss, und das würde ein Politiker nie tun, jedenfalls nicht, wenn er sein Amt behalten will.«
»Sie sprechen von der Generalgouverneurin?«, fragte er.
»Ich spreche im Grunde von allen«, sagte sie. »Ich habe mir genau angesehen, was auf dem Mars passiert ist, nachdem die Krise beigelegt war. Ein ganzer Haufen Regierungsmitglieder hat schlicht nicht reagiert. Und eine Menge Leute mussten sterben.«
Er sah sie an, wünschte sich, er könnte dieses Gespräch abbrechen, wusste aber, dass sie all das loswerden musste. Sie vertraute ihm in diesem Punkt, redete mit ihm, weil sie vermutlich selten die Chance bekam, mit irgendjemand anderem zu sprechen.
»Das Regierungssystem auf dem Mars ist anders als unseres«, sagte er nach einer Pause. »Dort sind die Disty verantwortlich.«
»Eigentlich ist es genauso wie unseres«, widersprach sie. »Unsere Kuppeln haben sich hier locker zusammengeschlossen. Die Vereinigten Mondkuppeln sind relativ neu, wenn man bedenkt, wie lange der Mond schon besiedelt ist, und sie haben so gut wie keine Machtbefugnisse. Keine übergreifenden Befugnisse. Entscheidungen auf Ebene der Vereinigten Mondkuppeln können von Kuppelbürgermeistern einfach ausgehebelt werden,
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