Miles Flint 05 - Paloma
oder vielleicht ein neuer Job bei WSX? Ein bisschen politisches Kapital? Einfluss darauf, wie die Dinge hier gehandhabt werden?« Wagners Gesicht hatte all seinen modifizierten Reiz eingebüßt. Zum ersten Mal sah Flint nun den echten Menschen vor sich. »Was kostet es mich, Sie dazu zu bringen, den Besitz meiner Mutter herauszurücken?«
»Soll das heißen, Sie erkennen an, dass dieser Besitz ihm gehört?«, fragte van Alen, ehe Flint irgendetwas sagen konnte.
Flint musste ein Grinsen unterdrücken. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Hätte er sich entscheiden müssen, er hätte gewettet, dass sie das Gespräch zu allem Überfluss aufgezeichnet hatte. Er selbst hatte sich auf die Hafenüberwachungsanlagen verlassen, eine alte Polizistengewohnheit. Aber bedachte man, mit welcher Feuerkraft Wagner hier aufmarschiert war, dann bestand durchaus die Möglichkeit, dass die Verwaltung alle Kameras in diesem Bereich abgeschaltet hatte.
Zum ersten Mal wandte sich Wagner der Anwältin zu. »Ich erkenne gar nichts an.«
»Und warum bieten Sie meinem Klienten dann etwas an, im Gegenzug zu etwas, von dem Sie behaupten, es gehöre ihm gar nicht?«
»Ich will, dass er uns in Ruhe lässt.«
»Und darum bestechen Sie ihn?«
Flint kam sich vor, als wäre er plötzlich unsichtbar geworden. Keiner der beiden schien sich noch daran zu erinnern, dass er ebenfalls anwesend war.
»Ich bezahle lediglich dafür, dass er uns in Ruhe lässt«, sagte Wagner. »Er kann sich doch wohl aus unseren Familienangelegenheiten heraushalten.«
Van Alen wollte etwas entgegnen, aber zur Abwechslung legte Flint ihr die Hand auf den Arm.
»Hat sie Sie verlassen?«, fragte Flint und vertraute darauf, dass van Alen alles aufzeichnete.
»Was?« Wagner hatte geflüstert, und doch hallte der Schock nach, der in diesem einen Wort angeklungen war.
»Paloma. Sie sind älter als Ihr Bruder. Sie erinnern sich an die Zeit, in der sie noch mit Ihrem Dad zusammen war. Haben Sie sich die ganze Zeit über verlassen gefühlt? Ist das der Grund, warum Ihnen die Tatsache, dass sie Sie nicht in ihrem Testament bedacht hat, so zu schaffen macht?«
Die Röte kehrte zurück, gefolgt von dem sofortigen Wiedererbleichen. Wagners Gesicht sah fahl und künstlich aus, die Augen leer.
»Sie sind ein Hurensohn, wissen Sie das?«, fragte er.
»Ja«, sagte Flint.
»Sie haben kein Recht, derartige Kommentare abzugeben. Absolut keins.« Wagner zitterte.
»Sie haben ihn beschuldigt, er würde Ihr Erbe stehlen«, erinnerte ihn van Alen in höflichem Ton. »Ich denke, das gibt ihm durchaus das Recht, Ihnen eine oder zwei persönliche Fragen zu stellen.«
Wagner atmete tief ein und rief sich innerlich zur Ordnung. Für einen Moment wirkte er jedoch wie ein Mann, der zwischen dem Benehmen, das er haben sollte, und dem, das sein Gefühl ihm diktierte, hin- und hergerissen war. Endlich gewann seine Professionalität die Oberhand.
»Sie haben Recht«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Ich verhalte mich wie ihr Sohn, nicht wie ein Anwalt. Vielleicht sollte ich jemanden anheuern.«
Das war offensichtlich scherzhaft gemeint, verpuffte jedoch wirkungslos.
»Es ist nur – sie war meine Mutter. Sie sagten es bereits, Flint. Sie brauchen das Geld nicht. Sie brauchen die Wohnung nicht, und Sie brauchen die Jacht nicht. Warum halten Sie dann so sehr daran fest? Ihnen bedeutet das alles doch gar nichts.«
Flint fühlte, wie eine Woge des Mitgefühls ihn durchflutete. Möglicherweise hatte Wagner nur geschauspielert, aber er wirkte absolut aufrichtig und absolut verwirrt angesichts der Frage, warum Flint irgendetwas wollte, das zu Palomas Leben gehörte.
»Ich habe sie respektiert.« Flint würde keinesfalls zugeben, dass er sie geliebt hatte. Das würde Wagner nur als Eingeständnis einer romantischen Beziehung nehmen, und dergleichen hatte Flint nicht mit ihr verbunden. »Sie hat mich gebeten, mich um ihren Nachlass zu kümmern. Sie sagte, sie wolle nicht, dass irgendetwas aus ihrem Besitz an jemanden fällt, der etwas mit WSX zu tun hat. Tut mir leid.«
Wagner erstarrte förmlich. »Das haben Sie sich doch nur ausgedacht.«
»Im Gegenteil«, sagte van Alen. »Wir haben mehr als nur einen Nachweis dafür, dass Ihre Mutter genau diese Erklärung abgegeben hat. Ihre Worte wurden aufgezeichnet und schriftlich festgehalten. Ich fürchte, mit einer Anfechtung des Testaments werden Sie nicht durchkommen. Mr. Flint ist der rechtmäßige Erbnehmer.«
»Wie kommt es, dass ich diese
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